Das Raetsel von Flatey
nicht, dann las er die anderen
Lösungen. Auf diese Weise gingen sie alle vierzig Fragen
durch, eine nach der anderen ...
Siebzehn
Samstag, 4. Juni 1960
In der Nacht legte sich der Ostwind,
gegen Morgen herrschte Windstille, und der
Breiðafjörður war in strahlendes Sonnenlicht getaucht.
Die Sunde zwischen den Inseln waren dunkelblau und spiegelglatt bis
auf die Stellen, wo Ebbe und Flut starke Gezeitenströmungen
zwischen Inseln und Untiefen verursachten.
Kjartan schaute aus dem Fenster
seines Zimmers, und ihm fiel ein Sprichwort ein, demzufolge der
Sonnenschein draußen demjenigen, der keine Sonne im Herzen
hat, kaum etwas nützt. Er atmete ein paarmal tief durch und
begann dann, sich anzuziehen.
Grímur und Högni waren
längst losgefahren, um die Netze zu kontrollieren, als Kjartan
nach unten kam. Frau Ingibjörg war in der Küche und
rührte einen Kuchenteig an, während im Radio
Schlagermusik gespielt wurde. Der gelbe Teig befand sich in einer
Schüssel, die sie in der linken Armbeuge hielt, während
sie mit der Rechten kräftig mit einem großen
Holzlöffel darin herumrührte. Bei diesem Kraftakt war
Mehl über die Arbeitsfläche gestäubt. Kjartan sah,
dass die Eier, die sie zum Backen verwendete, ungewöhnlich
groß und schwarz gesprenkelt waren.
»Das sind
Mantelmöweneier«, sagte sie, als er eines davon zur Hand
nahm und betrachtete. »Wenn man solche Eier hat, braucht man
bei den Rezepten nicht zu sparen. Zu dieser Jahreszeit gibt es
genug davon, und man kann sie gut zum Backen verwenden, sogar wenn
sie schon ein wenig angebrütet sind.«
Kjartan trank seinen
Frühstückskaffee und aß eine Schnitte Brot mit
Lammpastete. So langsam ging es ihm besser. Er hatte angefangen,
sich im Haus des Gemeindevorstehers wohl zu fühlen, aber die
Besorgnis wegen der Ermittlung lastete immer noch auf ihm. Es
gelang ihm aber, sie für eine Weile von sich abzustreifen,
indem er aus dem Küchenfenster schaute und zwei Bachstelzen
beobachtete, die zwischen den Steinen oben am Steilhang
herumhüpften, und er pfiff ein paar Töne zur Musik im
Radio.
Ingibjörg machte sich weiter in
der Küche zu schaffen und richtete nicht von sich aus das Wort
an Kjartan. Darüber war er froh. Es tat gut, einfach nur
dazusitzen und ein bisschen nachzudenken. Er befürchtete auch,
dass sich so ein Gespräch, falls es in Gang käme, recht
bald um seine persönlichen Verhältnisse drehen
würde, und das wollte er vermeiden. Er wollte keine
Unwahrheiten sagen müssen, und deswegen war es am besten zu
schweigen.
Aber er hatte nun einmal einen
Auftrag zu erledigen. Er musste jetzt mit all den Inselbewohnern
sprechen, die ein Motorboot besaßen, und zwar eines, das
stabil genug war, um im September bis nach Ketilsey zu fahren, und
jetzt erkundigte er sich bei Ingibjörg danach, wer alles in
Frage komme. Sie antwortete, dass es fünf seien, falls
Grímur und Valdi von Endenkate nicht mitgerechnet
würden.
Ingibjörg zählte die
anderen auf, während sie ein Ei aufschlug und in den
Kuchenteig gab: »Ásmundur, unser Kaufmann, besitzt die
›Alda‹, ein hübsches, kleines, weiß
gestrichenes Ruderboot mit Außenbordmotor, mein Bruder
Guðjón auf dem Rathof besitzt die
›Elliði‹, ein Sechs-Tonnen-Boot mit kleinem
Steuerhaus, und das Boot von Sigurbjörn in Svalbard
heißt ›Glücksstern‹, ein Motorboot in der
alten Bauweise. Alles ehrbare Leute, vernünftig, ehrlich und
anständig.« Kjartan zuckte zusammen.
»Glücksstern« als Name eines Boots, das war ihm
nicht eingefallen. Es brauchte zwar nicht unbedingt eine Verbindung
zu der Nachricht haben, die der Mann auf Ketilsey zu hinterlassen
versucht hatte, aber es musste trotzdem bei der Ermittlung
berücksichtigt werden.
Kjartan wusste, wo der Rathof lag,
aber außer Benni, der die Fenster anstrich, war niemand zu
Hause. Er schien erfreut zu sein über die Störung, legte
den Pinsel zur Seite und zündete sich eine Zigarette
an.
»Mama und meine Schwester
Rósa sind im Stall und melken die Kühe, und Papa ist
bei Sigurbjörn in Svalbard, um den Kerl für den
Gottesdienst morgen zu beschnippeln«, sagte er, als Kjartan
nach seiner Familie fragte.
»Beschnippeln?« Kjartan
war sich nicht sicher, ob er richtig gehört
hatte.
»Ja, Papa versteht sich ein
bisschen darauf, Haare zu schneiden. Er schneidet bloß immer
so richtige Stoppelfrisuren, und außerdem reißt er
einem die Haare aus, denn die Schere ist ziemlich stumpf. Deswegen
will ich nicht, dass er mir die Haare
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