Das Raetsel von Flatey
der
Pfeil ihn direkt in den Arsch gedrungen war und zum Mund wieder
herauskam. Seine Todeswunde war ein Pfeil im Arsch, und der neunte
Buchstabe der Antwort ist R ...«
Achtzehn
Kriminalpolizist Dagbjartur saß mit Egill,
dem Empfangschef, in der Nationalbibliothek. Letzterer
blätterte die Zeitungen der letzten Monate durch, weil er
versuchen sollte, den Mann wiederzuerkennen, der im vergangenen
Herbst nach Professor Lund gefragt hatte. Der Hotelmanager war sich
sicher, dass er ein Foto von diesem Mann in den Zeitungen gesehen
hatte, und jetzt galt es zu blättern, bis er fündig
würde. Es war schon der zweite Tag, der damit draufging, und
es ging nur langsam voran. Egill betrachtete sämtliche Fotos
von Personen ganz genau, und manchmal stieß er auf einen
Artikel, der sein Interesse weckte. Dagbjartur saß geduldig
daneben, gähnte und säuberte sich die Fingernägel.
Hier hatte er eine klar abgegrenzte Aufgabe, die bestenfalls sogar
noch für weitere ein oder zwei Tage reichen würde.
Derweilen war er die Kleinkriminellen los und die
Protokollanfertigungen. An diesem Morgen war allerdings auch eine
Meldung an die Tageszeitungen gegangen, in der derjenige, der im
Hotel Borg nach Lund gefragt hatte, gebeten wurde, sich zu melden.
Sie lautete folgendermaßen: »Der Mann, der Ende August
letzten Jahres ins Hotel Borg kam und sich nach Gaston Lund aus
Dänemark erkundigte, wird gebeten, sich mit der
Kriminalpolizei in Reykjavík in Verbindung zu setzen.«
Diese Pressenotiz würde aber erst frühestens am
nächsten Mittwoch erscheinen, denn Pfingsten stand vor der
Tür, und dann gab es keine Zeitungen.
Große dicke Mappen mit den
Zeitungen lagen auf dem Tisch vor ihnen, und Dagbjartur sorgte
dafür, dass immer wieder Nachschub kam, wenn der Stapel
kleiner wurde. Das war eine angemessene Arbeit für einen
schönen Junitag, denn sie ließ zu, dass man es sich
bequem machen konnte. An diesem Samstag war es auch sehr ruhig in
der Bibliothek, nur ein paar Stammkunden waren dort in ihre Arbeit
vertieft. Ab und zu hörte man ein unterdrücktes Husten
oder Schnäuzen, Flüstern oder das Knarren eines Stuhls.
Ansonsten war es still wie in einem Mausoleum.
Dagbjartur war auf seinem Stuhl
eingenickt, als der Hotelmanager plötzlich verkündete:
»Das ist er!«
Dagbjartur schreckte auf. »Bist
du sicher?«, fragte er enttäuscht.
»Oh ja«, entgegnete der
andere, »vollkommen sicher.«
Dagbjartur schaute in die Zeitung.
Das Bild zeigte einen sympathischen, silberhaarigen Mann, und unter
dem Foto stand »Friðrik Einarsson«. Der Artikel
trug die Überschrift: »Einige Miszellen zum Ablauf von
Zweikämpfen in den Sagas von den
Orkadenjarlen.«
Dagbjartur schaute auf die Uhr. Es
war noch mehr als genug vom Tag übrig, um den Mann aufzusuchen
und sich mit ihm zu unterhalten. Daran führte kein Weg vorbei.
Dagbjartur stöhnte ermattet.
*
»2. Frage: Der Mörder, der
verzehrt wurde, erster Buchstabe.
Sneglu-Halli sagt: ›Ich
weiß von niemandem, der seinen Vater auf grausamere Weise
gerächt hat als Thjodolf, denn er hat den Mörder seines
Vaters gegessen.‹ Der König erwidert: ›Das will
bewiesen werden.‹ Halli sagt: ›Thorljot, der Vater
von Thjodolf, führte ein Bullenkalb am Strick nach Hause, und
als er zur Steinmauer an der Heuwiese kam, hievte er das Kalb auf
die Mauer hoch, kletterte dann selber hinüber, doch das Kalb
fiel auf der anderen Seite wieder herunter. Der Strick hatte sich
aber Thorljot um den Hals gewickelt, und deswegen konnte er die
Beine nicht mehr an den Boden kriegen. Jetzt hingen beide, er und
der Bulle, jeweils auf einer Seite der Mauer, und als endlich Leute
hinzukamen, waren beide tot. Die Kinder schleppten das Tier zum
Hof, und es wurde zerstückelt und gegessen. Ich denke schon,
dass Thjodolf da ordentlich zugeschlagen haben wird.‹
Die Antwort ist Bullenkalb, und der
erste Buchstabe ist B ...«
Neunzehn
Der Kramladen der Insel befand sich in einem zweistöckigen
Haus bei der Deutschen Reede, nicht weit vom Genossenschaftshaus.
Die Eingangstür war an der westlichen Seite, während
unter dem Giebel an der Ostseite ein Vorbau mit einer weiteren
Tür angefügt worden war. Von dort führte eine Treppe
ins obere Geschoss, wo Kaufmann Ásmundur und seine Frau eine
kleine Wohnung hatten. Geschäft und Lager befanden sich auf
der unteren Etage. Als Kjartan den Laden betrat, rührte die
Tür an eine kleine Glocke, die schrill durch die
menschenleeren Räume
Weitere Kostenlose Bücher