Das Raetsel von Flatey
Unglück und Verhängnis,
wenn sie mitgenommen oder abgeschrieben werden.«
»Und warum ist das
so?«
»Na, das ist einfach etwas, was
jeder weiß. Ein alter Bannfluch, mein Lieber. Auf dem
obersten Blatt ist ein uraltes magisches Zeichen, und niemand
weiß, was für Unheil heraufbeschworen wird, wenn man
damit nicht vorsichtig umgeht. Der Schlüssel zu der
Lösung ist nur auf diesem einen Blatt, und das darf nie aus
der Bibliothek entfernt werden. Es sei denn, dass das Rätsel
gelöst worden ist, dann darf der Glückliche das Blatt
behalten.«
»Ist das der
Lohn?«
»Ja, und natürlich die
Ehre. Wer das Rätsel gelöst hat, wird
berühmt.«
»Ist das Rätsel
alt?«
»Nicht sehr, aber trotzdem
über hundert Jahre.«
»Sind die Papiere hier die
ganze Zeit in dieser Bibliothek gewesen?«
»Nein, nein. Der frühere
Bibliothekar, der die Munksgaard-Ausgabe beim hundertjährigen
Jubiläum der Bibliothek in Empfang genommen hat, bekam dieses
Rätsel zusammen mit dem Buch. Es wurde nämlich beim
König in Kopenhagen aufbewahrt. Das sind sehr bedeutende
Papiere.«
Kjartan wollte sich verabschieden,
aber Hallbjörg bedeutete ihm, näher zu kommen. Sie
steckte ihm etwas zu.
»Hier ist ein Stückchen
Kandis für dich, mein Lieber. Ein bisschen was
Süßes kann dir nicht schaden.« Sie lächelte
ihn reizend an.
Kjartan schaute auf den dunklen
Klumpen in seiner Hand und bedankte sich, dann verabschiedete er
sich und ging wieder zum Ort zurück.
*
»4. Frage: Búi reagiert
auf den Verlust seines Kinns. Erster Buchstabe.
In der Schlacht zwischen den
Jomswikingern und Jarl Hakon sprang Thorkell mit einem Schwert in
der Hand von seinem Schiff auf Búis Schiff hinüber und
hieb dem Búi Kinn und Unterlippe ab, die mit den Zähnen
auf die Schiffsplanken fielen. Als Búi so verwundet worden
war, sprach er: ›Unangenehmer wird es der Dänin
scheinen, uns in Bornholm zu küssen, sollten wir es bis
dorthin schaffen.‹ Dann setzte er zum Hieb auf Thorkell an,
traf ihn in der Mitte, und Thorkell fiel in zwei Teile auseinander.
Die Antwort meines Vaters lautet: Thorkell wird in zwei Teile
gehauen, also T.« Er schaute auf seine Papiere und sagte:
»Gaston Lund war der Ansicht, dass nach Búis Ausspruch
gefragt wird: Unangenehmer wird, und so weiter. Der erste Buchstabe
ist dann U.«
Einundzwanzig
Kriminalpolizist Dagbjartur traf Friðrik
Einarsson, Dozent für Isländisch an der Universität,
in dessen hübschem Einfamilienhaus an der Aragata an. Es war
zwei Stunden her, seit er sich bei der Nationalbibliothek von dem
Empfangschef verabschiedet hatte. Danach hatte er das
Bibliothekstelefon benutzen dürfen und sofort den Mann
erreicht, den Egill auf dem Bild in der Zeitung erkannt hatte. Sie
machten eine Zeit aus. Dagbjartur ging im Café Hressó
essen und vertrieb sich anschließend die Zeit, bis dieser
Dozent bereit war, ihn zu empfangen. Bei dem schönen Wetter
unternahm er einen Spaziergang am Stadtteich entlang und winkte
schließlich ein Taxi herbei, das ihn an der Universität
vorbei zur Aragata brachte.
Dagbjartur wurde ins Wohnzimmer
geführt, wo ihm ein tiefer Sessel angeboten wurde. An den
Wänden befanden sich Bücherregale, und auf einem
schönen Tisch standen große geschnitzte Schachfiguren
auf dem dazugehörigen Brett. Der Polizist betrachtete sie
eingehend und fand sie etwas eigenartig.
»Das ist Wikingerschach«,
erklärte Friðrik, ein hoch gewachsener, schlanker Mann um
die sechzig. Außer den normalen Schachfiguren sind zwei
Wikinger in jeder Mannschaft. Das Schachbrett hat deswegen an jeder
Seite zehn Felder statt der üblichen
acht.«
Friðrik rückte die
Schachfiguren zurecht und wartete geduldig darauf, dass Dagbjartur
sein Anliegen vorbrachte.
Der Polizeibeamte nahm sich geraume
Zeit für das Schachbrett, sagte aber dann schließlich:
»Du bist Ende August letzten Jahres ins Hotel Borg gegangen
und hast nach Professor Gaston Lund aus Kopenhagen gefragt, stimmt
das?«
Friðrik fiel aus allen Wolken. Er
dachte eine Weile nach und sagte dann: »Doch, das stimmt
wahrscheinlich. Aber wie in aller Welt hast du das in Erfahrung
gebracht?«
»Das spielt in diesem
Zusammenhang keine Rolle. Aber was hat dich dazu gebracht, nach
diesem Mann zu fragen?«
»Steht deine Ermittlung in
Zusammenhang mit dem tragischen Tod von Professor Lund auf dieser
Insel im Breiðafjörður? Davon habe ich
gehört.«
»Ja, der Fall wird
untersucht«, antwortete Dagbjartur und fragte dann wieder:
»Warum hast
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