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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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du nach diesem Mann
gefragt?«
    Friðrik überlegte wieder und
erklärte dann: »Ich war im Auto unterwegs und kam in der
Pósthússtræti nur langsam voran, sodass ich
durch die Fenster in den Speisesaal des Hotels blicken konnte. Mir
schien, dass der Professor dort am Tisch gesessen hätte. Ich
kannte ihn sehr gut aus der Zeit, als ich in Kopenhagen gearbeitet
habe, und ich fand es undenkbar, dass er hier in Reykjavík
war, ohne mich zu besuchen oder zumindest mit mir zu telefonieren.
Das hat mich den ganzen Tag beschäftigt, und deswegen ging ich
am nächsten Morgen ins Hotel und erkundigte mich danach, ob er
Gast in diesem Hotel war. Es stellte sich aber heraus, dass ich mir
das wohl nur eingebildet hatte.«
    Dagbjartur blickte Friðrik
forschend an und fragte: »Aber jetzt weißt du, dass er
damals dort gewesen ist, nicht wahr?«
    »Ja, wie ich bereits sagte. Ich
habe von diesem entsetzlichen Vorfall auf Ketilsey gehört. Das
muss ein Omen gewesen sein. So was ist mir schon mal passiert. Ich
bilde mir ein, ich sehe einen Bekannten, aber dann stellt sich das
als falsch heraus. Und dann taucht kurze Zeit später der
Betreffende an einem ganz anderen Ort auf. Das ist so eine
Fähigkeit, die man nicht rational erklären
kann.«
    Dagbjartur schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich hast du ihn aber wirklich gesehen. Du hast
bloß vom Hotel falsche Informationen
bekommen.«
    »Tatsächlich? Ja, so muss
es gewesen sein. Ich habe Lund damals so deutlich
gesehen.«
    »Du hast gesagt, dass du damit
gerechnet hast, dass er dich besuchen
würde?«
    »Ja, selbstverständlich.
Wir haben jahrelang in Kopenhagen zusammengearbeitet und oft
darüber gesprochen, was wir unternehmen würden, wenn er
das nächste Mal nach Island käme. Er ist zweimal in den
zwanziger und dreißiger Jahren hier gewesen, ist aber damals
viel zu wenig herumgereist. Er kannte aber die Saga-Orte so gut aus
den Erzählungen, dass er sie bis ins kleinste Detail
beschreiben konnte. Er hat vielleicht vorgehabt, mich im
späteren Verlauf der Reise zu erreichen, aber in der
Zwischenzeit ist er dann in diese entsetzliche Situation
geraten.«
    Friðrik blickte auf den Tisch
herunter.
    Dagbjartur schwieg eine Weile und
sagte dann: »Es hat den Anschein, als ob niemand etwas von
dieser Reise des Professors gewusst hat.«
    »Tatsächlich nicht? Aber
ungewöhnlich ist das wiederum nicht.«
    »Nanu, wieso denn
nicht?«
    »Tja, der Professor hatte keine
Familie. Schon damals, als wir uns verhältnismäßig
gut kannten, war er immer gewohnt, ganz allein Urlaub zu machen. Er
ließ niemanden wissen, wohin er reisen wollte, und er ist
ganz einfach kreuz und quer durch Europa gefahren, so wie es ihm
gerade beliebte. Aber wenn er dann wieder zurück in Kopenhagen
war, konnte er immer sehr interessant davon erzählen. Er fand,
dass er besser mit den Einheimischen in Kontakt kam, wenn er allein
reiste.«
    Friðrik stand auf und ging zu den
Bücherregalen.
    »Der Pastor in Flatey sagt,
dass er es wegen des Handschriftenstreits vermieden hat, Kontakt
mit seinen Bekannten hier in Island aufzunehmen. Glaubst du, dass
das stimmen könnte?«, fragte
Dagbjartur.
    Friðrik lächelte schwach.
»Ja, ja. War das der Grund? Ehrlich gesagt lag er in dieser
Kontroverse völlig quer mit den meisten seiner
isländischen Freunde, aber ich kenne niemanden, der ihm das in
irgendeiner Form hätte heimzahlen wollen. Aber eins steht
fest, er war in dieser Angelegenheit derjenige von unseren Gegnern,
mit dem man sich am liebsten nicht anlegen wollte. Es gab kaum
jemanden, dem die Handschriften so ans Herz gewachsen waren wie
ihm. Und er hatte sowohl die Argumente als auch die
Gesetzesparagrafen parat, um gegen ihre Aushändigung zu
kämpfen.«
    Während Friðrik sprach, nahm
er einen Ordner aus dem Regal, öffnete ihn und nahm eine
maschinengeschriebene Seite heraus. Er fuhr fort: »Ich habe
alles, was zu dieser Debatte veröffentlich wurde,
dokumentiert. Hier ist ein Artikel von Gaston Lund, den ich
übersetzt habe. Ich lese einen kurzen Abschnitt daraus:
›Die internationale Forschungsarbeit, die im Zusammenhang
mit den isländischen Handschriften stattfindet, wird
vollständig blockiert, wenn die Sammlung auseinander gerissen
wird. Die in Kopenhagen erzielten Forschungsergebnisse werden in
allen wichtigen europäischen Sprachen veröffentlicht,
aber in Reykjavík würde das nur auf Isländisch
geschehen. Alle Angehörigen der humanistischen Fakultät
in Kopenhagen werden gegen die Aushändigung

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