Das Raetsel von Flatey
Ketilsey wahrscheinlich einige
Generationen lang spuken würde, und es wäre alles andere
als sicher, dass unter solchen Umständen dort noch viele
Erträge zu holen seien. Darin waren sich fast alle einig, und
man blickte heimlich zu Valdi und Jón Ferdinand von
Endenkate hinüber, die von dem Wenigen, was dieses Eiland zu
bieten hatte, abhängig waren. Die beiden hatten sich zu keiner
Gruppe gesellt, tranken aber Kaffee und knabberten an einem
Stück Kuchen, das ihnen irgendjemand gereicht hatte. Der Junge
war nirgends zu sehen.
Grímur sagte seinen
Gemeindeschäfchen, dass ein Reporter aus Reykjavík nach
Flatey gekommen war, dessen Auftrag es war, Recherchen über
diesen tragischen Tod durchzuführen. Der Gemeindevorsteher
ermahnte seine Leute, sich in Gesprächen mit diesem Mann
zurückzuhalten. Es sei wirklich überflüssig, die
Leute auf den Inseln mit diesem unseligen Vorfall in Verbindung zu
bringen. Die Situation sei sowieso schon schlimm
genug.
Dann kam die Sprache auf die
Landwirtschaft und die Aussichten für diesen Sommer. Es gab
gute Nachrichten in Bezug auf die Preise für die Erzeugnisse.
Der Einkaufsgenossenschaftsdirektor hatte gehört, dass ein
gutes Seehundfell möglicherweise bis zu 800 Kronen erzielen
könnte und dass ein Kilo gereinigte Eiderdaunen mindestens
1400 Kronen bringen würde. Das könnte also ein gutes Jahr
für die Inselwirtschaft werden, wenn das Wetter
mitspielte.
*
»17. Frage: In einem tiefen
Morast ertränkt. Erster Buchstabe.
Die Königsmutter Gunnhild war
bösartig und verfügte über Zauberkräfte. Sie
hatte die Finnen, ihre Lehrmeister, grausam bestraft. Jarl Hakon
und der dänische König Harald Gormsson lockten sie in
eine Falle. Harald sandte Gunnhild ein Schreiben, das so klang, als
halte der König um sie an. Sie solle seine Königin werden
und nach ihrem Belieben gemeinsam mit ihm herrschen. Dänemark
könne sich glücklich preisen, wenn es eine solche
Königin hätte, so berufen dazu und so weise. Und wenn sie
nach Dänemark käme, erklärte der König,
würde er mit großem Gepränge Hochzeit mit ihr
halten. Diese Aussichten gefielen Gunnhild sehr, und sie zog mit
prächtigem Gefolge nach Dänemark. Als König Harald
von ihrer Ankunft erfuhr, schickte er ihr seine Leibwache und
Sklaven entgegen. Sie ergriffen Gunnhild unter viel Getümmel
und ertränkten unter schmählichem Tumult und Handgemenge
diese böse Königin in einem furchtbar tiefen Morast.
Damit endet die Erzählung von den Grausamkeiten und Untaten
der Königsmutter Gunnhild.
Die Antwort ist Gunnhild, und der
erste Buchstabe ist G.«
Vierunddreißig
Dagbjartur verbrachte das, was vom Pfingstsonntag noch übrig
war, mit der Suche nach Árni Sakarías. Er war nicht
zu Hause am Rauðarárstígur, nicht im Schwimmbad
und nicht in seinem Stammlokal.
»Versuch’s doch mal im
Café Hressó«, sagte der Bademeister im
Schwimmbad, »oder am Laugavegur 11.«
Im Café am Laugavegur 11 fand
Dagbjartur schließlich den Dichter im Kreise guter Freunde.
Árni Sakarías war etwas angeheitert. Er stellte
seinen Tischgenossen den Kriminalbeamten vor.
»Dieser brave Mann arbeitet bei
unserer hoch geschätzten Kriminalpolizei und fungiert als
Kontaktperson dieser bedeutenden Behörde zu Dichtern und
Schriftstellern. Hut ab vor ihm.«
Dagbjartur nickte zur
Begrüßung in die Runde und sagte Árni
Sakarías, weswegen er gekommen war. Konnte es sein, dass er
Gaston Lund gekannt hatte und wusste, dass Lund ein Kind in Island
hatte?
»Auf so eine große
Frage«, antwortete Árni Sakarías, »kann
man nicht mit nüchternem Magen antworten. Gehen wir doch zum
Hotel Borg und nehmen ein Abendessen zu uns, dänische
Frikadellen mit Spiegelei, auf Kosten der
Polizeidirektion.«
Dagbjartur war sich nicht sicher, ob
es ihm gelingen würde, diese Auslagen zurückerstattet zu
bekommen, aber er wollte nicht das Risiko eingehen, Árni
Sakarías vor den Kopf zu stoßen. Der war ja keineswegs
verpflichtet, auf solche Fragen zu antworten, und deswegen war es
besser, ihn bei Laune zu halten. Eine billige Mahlzeit war
schließlich nicht die Welt, falls im Gegenzug Informationen
aus ihm rauszuholen wären.
Árni Sakarías war nicht
bereit, Fragen zu beantworten, solange sie den Laugavegur
heruntergingen, sondern hielt stattdessen einen Vortrag über
moderne Poesie. Erst als das Essen im Hotel Borg vor ihnen stand,
kam er auf Dagbjarturs Frage zurück.
»Du fragst nach einem Vorfall,
der sich im Juni 1936 ereignet
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