Das Raetsel von Flatey
das
Rätsel von Ketilsey gelöst zu haben. Es konnte durchaus
sein, dass sie das am späteren Abend noch anderen unter dem
Siegel der Verschwiegenheit erzählt hatte, aber sie konnte
sich nicht ganz genau
erinnern.
»Bitte die Frau des Pastors
zuerst herein«, sagte Ingimundur zu Grímur, als
Stína hinausgegangen war. Ihm war klar geworden, dass die
meisten Einwohner von Flatey gleich am Sonntagabend das Geheimnis
des Reporters erfahren hatten.
Grímur ging hinaus, erschien
aber gleich wieder in der Tür.
»Die Pfarrersfrau weigert sich,
mit euch zu sprechen, wenn ihr Mann nicht dabei ist«, meldete
er. »Ich denke, es ist richtig, diesem Wunsch stattzugeben,
falls es möglich ist. Sie ist ziemlich resolut«,
fügte er hinzu.
Ingimundur grinste: »Na
schön, ruf sie dann beide herein.«
Ein weiterer Stuhl musste an den
Tisch geschoben werden.
»Ich bitte um Entschuldigung,
dass ich Euch belästigen muss«, begann Ingimundur
lächelnd. »Wir hielten es für richtig, bei
sämtlichen Inselbewohnern Erkundigungen einzuziehen. Und es
ist besonders wichtig, Aussagen von geistig hoch stehenden und
gebildeten Leuten zu erhalten, die selbstverständlich mehr in
ihrer Umgebung wahrnehmen als die schwer schuftende werktätige
Bevölkerung.«
Frau Alfríður war sich
nicht ganz sicher, wie sie auf diese wohlklingende Einleitung
reagieren sollte, und zog es vor, zunächst einmal zu
schweigen. Deswegen antwortete Pfarrer Hannes als
Erster:
»Es wäre uns ein
Vergnügen, wenn wir irgendwie behilflich sein
können«, erklärte er.
Ingimundur fragte: »Seid ihr
diesem Reporter begegnet, um den sich die ganze Sache
dreht?«
»Nein, das kann man eigentlich
kaum sagen. Er hat zwar am frühen Samstagabend bei uns
angeklopft, aber das geschah aus Versehen. Er versuchte, an Alkohol
heranzukommen, und ich konnte ihn wegscheuchen. Wir haben ihn dann
ein paar Mal beobachtet, wie er durch den Ort spazierte oder die
hohle Gasse hinaufging. Sie liegt praktisch direkt vor unserem
Wohnzimmerfenster.«
»Kannst du das zeitlich etwas
präziser festlegen?«
Pastor Hannes überlegte.
»Am Sonntag haben wir ihn erst gegen Mittag gesehen,
wahrscheinlich so um halb zwölf, als er von Kormákur
Kolks Kuhstall kam, das ist unser Küster. Danach ist er dann
eine Weile im Ort herumspaziert. Wir waren anschließend sehr
beschäftigt mit den Vorbereitungen für den Gottesdienst
und haben ihn erst am späten Nachmittag wieder gesehen, als
Benjamín vom Rathof ihn zum Kuhstall von Kolk begleitete.
Benjamín kam kurz nach sieben allein zurück. Kolk
brachte uns dann um halb acht unseren halben Liter Milch und sagte,
dass er dem Journalisten gestattet habe, in der Scheune zu
übernachten, wenn es sein müsste. Der liebe Kolk ist ein
guter Mensch, und manchmal wird seine Gutmütigkeit
ausgenützt. Er ist auch ziemlich leichtgläubig, wie so
viele Spiritisten.«
Pastor Hannes blickte auf seine Frau.
»Stimmt das nicht alles, was ich gesagt habe, meine liebe
Fríða?« Sie nickte zustimmend.
»Sind an dem Abend noch andere
durch die hohle Gasse gekommen?«, fragte
Ingimundur.
Jetzt antwortete Alfríður:
»Högni, der Lehrer, kam gegen acht vom Abendessen beim
Gemeindevorsteher zurück, und dann kam der
Bevollmächtigte des Bezirksamtmanns herunter und ging durch
das Dorf in den Nordteil der Insel. Kolk ist dann um zehn Uhr
wieder zum Kuhstall gegangen. Danach legten wir uns schlafen und
haben nicht weiter verfolgt, ob noch irgendjemand unterwegs
war.«
Ingimundur notierte einiges auf
seinem Blatt und fragte dann: »Fällt euch vielleicht
noch irgendetwas anderes ein, was uns bei dieser Ermittlung helfen
könnte?«
»Nein.« Pastor Hannes
schüttelte den Kopf, aber Alfríður zupfte ihn am
Ärmel. »Erinnerst du dich nicht?«, fragte sie
leise.
»An was soll ich mich erinnern,
meine liebe Fríða?«
Sie ergriff die Initiative:
»Die Leute hier auf der Insel haben darüber gemunkelt,
dass dieser Däne bei uns zu Gast war und dass wir ihn als
Letzte gesehen hätten. Das ist aber überhaupt nicht wahr,
und ich möchte, dass es zur Kenntnis genommen
wird.«
»Und wer hat ihn dann zuletzt
gesehen?«
»Als er uns verließ,
wollte er zu unserer Ärztin, um sich Tabletten gegen
Seekrankheit zu kaufen. Er hatte solche Angst davor, seekrank zu
werden. Deswegen ging er so früh ans Ende der Insel. Deswegen
war sie es, die ihn zuletzt gesehen hat, nicht wir, und ich bitte,
das zu notieren.« Alfríður gab sich angesichts
dieser
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