Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
sah Rupert nach, bis er verschwunden war, und ihre Hände waren so fest zu Fäusten geballt, dass sie schmerzten.
Dann warf sie einen Blick auf Harald, der nachdenklich die Tür anstarrte, die sich langsam hinter seinem Bruder schloss. Harald war in den vergangenen Monaten zweifellos immer mehr in den Mittelpunkt ihres Lebens gerückt. Dennoch wusste sie nicht, was sie für ihn empfand. Er benahm sich freundlich, aufmerksam, charmant – und doch entdeckte sie in seinen Augen manchmal eine Kälte, die sie frösteln ließ.
Zweifellos hatte Harald Fehler, aber Julia war beeindruckt von der ruhigen Sachkenntnis, mit der er die Dinge in die Hand genommen hatte, als das Dunkel immer näher rückte und die Lage sich mit jedem Tag verschlimmerte. Der König hatte sein Bestes getan, doch als der Strom der Flüchtlinge aus den von Pestilenz und Dämonen heimgesuchten Gebieten nicht abreißen wollte, war ihm nichts anderes übriggeblieben, als seine Ohnmacht einzugestehen. Harald und der Seneschall hatten ihm einen Großteil der Last abgenommen, aber der König war zunehmend schlecht gelaunt und niedergeschlagen gewesen. Er hatte sich Vorwürfe gemacht, weil er die Herrschaft über sein Reich verloren hatte, und immer missmutiger regiert, so dass Harald gar keine andere Wahl blieb, als die meisten Entscheidungen allein zu treffen. Er hatte seine Sache gut gemacht – zumindest so gut, wie es unter den gegebenen Umständen möglich gewesen war.
Trotz all seiner Probleme hatte Harald noch die Zeit gefunden, sich mit ihr zu unterhalten und ihr Gesellschaft zu leisten. Er war längst nicht mehr der zudringliche, ungestüme Bewunderer, der sie mit seinem linkischen Interesse verfolgte. Julias Mundwinkel zuckten in einem Anflug von Vergnügen. Zumindest hatte sie Harald Manieren beigebracht. Sie betrachtete ihn fast zärtlich, doch dann erstarb ihr Lächeln, als sie sah, wie sich seine Miene unvermittelt veränderte. Harald starrte immer noch die Tür an, die sich hinter Rupert geschlossen hatte, und jäh gruben sich unauslöschliche, gallige Linien in sein Gesicht, die sein sonst so liebevolles Äußeres völlig veränderten. Julia musterte ihn verblüfft; es war, als hätte er eine Maske abgelegt, hinter der nun eine völlig veränderte Persönlichkeit auftauchte. Sie runzelte grüblerisch die Stirn, unschlüssig, ob sie sich über den neuen Harald freuen sollte oder nicht. Sie sah Kraft in seinen Zügen, Entschlossenheit und einen eisernen Willen, aber sie sah auch Angst, und plötzlich erkannte Julia, dass Harald Angst vor Rupert hatte. Dann war der Augenblick vorbei, und Haralds gewohnte Maske war wieder da. Er drehte sich um, um sie anzulächeln, und sie war sicher, dass alles Einbildung gewesen war. Der kalte, brutale Zorn, den sie in seinen Augen gesehen zu haben vermeinte, existierte nur in ihrer Phantasie.
„Nun denn, Julia“, sagte Harald freundlich, „ich fürchte, mein Vater erwartet mich, aber ich denke, uns bleibt danach noch etwas Zeit, ehe ich unsere Truppen in den Kampf führen muss. Warum kommst du nicht in einer Stunde in meine Suite?“
„Ja“, sagte Julia. „Natürlich. Harald, ich …“
„Es geht um Rupert, nicht?“, fragte Harald. „Mach dir keine Sorgen! Du wirst ihn vergessen, wenn wir erst vermählt sind. Du musst nicht mal mit ihm reden, wenn du nicht willst. Das wäre höchstwahrscheinlich das Beste. Rupert hat einen schlechten Einfluss auf dich – obwohl ich ehrlich gestanden nie ganz begreifen konnte, was du an ihm findest. Wenn unsere Beratung mit Vater vorbei ist, wird er sich wohl irgendwo verkriechen, bis er im Morgengrauen mit uns in die Schlacht ziehen muss. Rupert war nie ein großer Kämpfer.“
„Bei eurem letzten Zweikampf blieb er immerhin Sieger“, entgegnete Julia und ärgerte sich im nächsten Augenblick über ihre Antwort.
Harald sah sie scharf an. „Unverdientes Glück. Er hatte ein paar neue Kniffe auf Lager, das ist alles. Das nächste Mal …“
„Moment!“ Julias Augen wurden schmal. „Habe ich mich verhört, oder wird Rupert im Morgengrauen mit in die Schlacht ziehen?“
„Natürlich“, sagte Harald. „Es ist seine gottverdammte Pflicht!“
„Das kann nicht dein Ernst sein! Du hast ihn doch gesehen. Er ist am Ende.“
Harald zuckte kühl die Achseln. „Er hat keine Wahl. Das Volk erwartet, dass Rupert, Vater und ich an der Spitze des Heerbanns reiten. Jemand muss die Truppen schließlich befehligen. Nicht, dass es wirklich wichtig wäre, ob Rupert
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