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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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wusste. Arbeitslos vielleicht?«
    »Nein. Das glaube ich nicht. Sie war zwar besessen vom
Theater, aber sie war nicht vom Fach. Das hätte ich gemerkt.«
    »Kam sie allein?«
    »Weiß ich nicht. Ich hab sie ja nicht die ganze Zeit
beobachtet. Sie war einfach öfter da, so dass sie mir nicht unbekannt blieb. Du
weißt, wie das ist, da geht einer hin und wieder an dir vorbei, irgendwann
nickt man einander zu, manchmal redet man ein bisschen, aber das war's auch
schon.«
    »Und du kannst dich tatsächlich nicht an ihren Namen
erinnern?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte doch nicht wirklich
etwas mit ihr zu tun. Ich weiß gar nicht, ob ich ihn jemals wusste. Du kriegst
so viele Namen genannt, und alle erwarten sie, dass du sie dir merkst. Weißt
du, wie anstrengend das ist?«
    »Denk trotzdem nach!«
    Er kniff leicht die Augen zusammen und nippte am Tee, der
kalt geworden war. »Nein, tut mir leid«, sagte er und erhob sich. In der Tür
zur Küche blieb er für Sekunden stehen, dann drehte er sich um.
    »Marie«, sagte er und wirkte versunken und konzentriert.
»Ja. Marie. Ja, ich glaube, das war's. Marie. So hieß sie. Marie. Das hatte so
etwas Leichtes. Ich glaube, ich hab gedacht, das passt zu ihr. Marie. Ja.
Genau.«
    Er nickte und verschwand in der Küche. Kurze Zeit später
kam er wieder.
    »Sie hatte etwas Trauriges«, sagte er. »Und etwas
Leuchtendes. Und es war noch nicht entschieden, was überwiegen sollte. Es war
noch nichts entschieden.«
    Später, als sie ging, dachte Franza daran, dass er das
gesagt hatte. Jetzt war es entschieden.
     
    Franza trat ins Büro, das sie sich mit Herz teilte, setzte
sich an ihren Schreibtisch, musterte Herz, der gerade telefonierte, und sagte
mitten in sein Gespräch hinein: »Sie heißt Marie.«
    Er blickte hoch, starrte sie kurz an, bellte in den Hörer,
dass er sich später wieder melden würde, und legte auf. »Was?«
    »Unsere Tote«, sagte Franza und merkte, dass sie den
Überraschungseffekt ebenso genoss, wie Port es getan hatte. »Ich habe ihren
Namen. Sie heißt Marie.«
    »Okay«, sagte Herz. »Also jetzt langsam. Und ganz von
vorne. Hat Borger diesen Namen eingeritzt in ihrer Haut gefunden?«
    Franza strafte ihn mit einem grimmigen Blick und erzählte,
was sie wusste, ohne näher auf den Informanten einzugehen. Als sie fertig war,
lehnte Herz sich entspannt in seinem Bürostuhl zurück.
    »Na gut«, sagte er. »Das ist doch etwas. Es wird also. Es
wird. Kaffee?«
    »Ja«, begann sie. »Liebend gerne. Haben wir denn schon
wieder ...« Und dann ging es Schlag auf Schlag. Auf Herz' Schreibtisch
klingelte das Telefon, und aus irgendeinem Grund wussten sie sofort, dass etwas
Wichtiges geschehen war. Herz schaltete die Freisprechanlage ein.
    »Ihr Name ist Gleichenbach«, sagte Robert, einer der
Beamten an den Telefonen. »Marie Gleichenbach. Ihre Mutter hat angerufen. Sie
hat sie in der Zeitung erkannt.«
     
    Auf der Fahrt, die sie hinaus aus der Stadt in eine der
weiter entfernten Ortschaften führte, sprachen sie wenig. Franza dachte an die
Frau, die angerufen hatte, und versuchte sich das Gefühl vorzustellen, das sie
empfunden haben musste, als sie die Zeitung zur Hand genommen und in das tote
Gesicht ihrer Tochter geblickt hatte. Unvorstellbar. Ein kleines Würgen überkam
sie, aber sie schluckte es fort und es war vorbei.
    Sie reihten sich ein auf der A9 Richtung Berlin, ließen
Kilometer um Kilometer hinter sich und fuhren an der Raststelle vorbei, wo dem
Mädchen, von dem sie nun immerhin den Namen wussten, die unheilvollen
Verletzungen zugefügt worden waren, die zu ihrem Tod geführt hatten. Eine
Ausfahrt später verließen sie die Autobahn, fuhren auf der Landstraße dahin, an
Getreidefeldern vorbei, die im Wind wogten wie gelbe Wellen eines gelben
Meeres. Schließlich querten sie ein Wäldchen, das in das Dorf führte, in dem
Maries Mutter lebte. Es war Mittag vorbei, als sie ankamen, die Sonne stach, es
würde ein Gewitter geben.
    Franza dachte an die Donau und dass es nett wäre, im
Schatten der Sträucher zu liegen und sich hin und wieder im Wasser abzukühlen.
    »Ja«, sagte Herz, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Jetzt ein kühles Bad und ein kühles Bier, das wäre mir auch lieber.«
    »Oder Kaffee«, sagte Franza. »Eiskaffee.« Und dachte an
die Kaffeemaschine, die, noch verpackt, auf dem Rücksitz des Wagens stand.
    Das Haus kam in Sicht. Es stand ein wenig außerhalb des
Dorfes inmitten eines Gartens voll wuchtiger Bäume. Sie parkten das

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