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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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ihn,
das gab ihm Hoffnung, er sagte, er sehne sich so nach ihr, er sehne sich so.
    Er fragte, ob sie noch einmal mit ihm schlafe, hier,
jetzt, er verlegte sich aufs Betteln, strich mit dem Rücken seines Zeigefingers
über ihren Hals, fühlte darunter ihr Zittern. »Komm!«, sagte er und spürte,
dass sein Herz schlug, und spürte, dass er lebte, wie immer, wenn er mit ihr
zusammen war. »Meine Schöne. Tu 's für mich. Schlaf mit mir. Ich brauch das
jetzt. Es muss sein.« Nie hatte er betteln müssen, nie in seinem Leben, immer
waren sie bereit gewesen, in seine Arme zu sinken und dann in sein Bett.
Anfangs hatte ihn das verblüfft, später war es Gewohnheit geworden und er hatte
einfach über sich ergehen lassen, was im Übermaß zu tun und zu geben sie bereit
waren. Sein dunkles Schweigen war ihnen Anreiz, seine Augen, die in einer Ferne
schwebten, einer Unklarheit, die zu erkunden sie sich zum Ziel machten. Sie
verstanden nicht, dass er nicht versinken konnte, sie verstanden nichts, aber
das war auch nicht wichtig. Karen?
    War die Unwichtigste. Die Unwesentlichste. Hatte ihm das
Alibi verschafft für seine Suche, war lieb, klein, stellte keine Fragen, war
ein Mäuschen, das ihm Wärme gab, wenn er fror, denn manchmal fror er.
    Immer war er sanft, zärtlich, gab, was sie wollten, all
die Jahre, aber spürte sich an ihnen nicht lebendig werden, an keiner, und wenn
erging, und erging immer und immer schnell, plärrten sie um ihn und weinten und
behaupteten, er behandle Frauen schlecht.
    Das konnte er nicht nachvollziehen, niemals wieder seit
damals hatte er eine Frau geschlagen, was also sollte das heißen, er behandle
Frauen schlecht? Weil er sie nicht sehe und sie allein lasse. Weil sie sich
nach ihm verzehrten, er sich aber nicht unter seine Haut kriechen lasse, seinen
Pelz verteidige mit Klauen und Zähnen.
    Das sei es aber doch gewesen, was sie gereizt habe, unter
anderem. Nein? Darauf wussten sie nichts mehr zu sagen.
    Und er? Nur einmal, ein einziges Mal, hatte er die Schwach
des Verlassenwerdens gespürt, den Schmerz der Zurückweisung, damals, an jenem
Nachmittag, als Judith entschwunden war in jene Gasse hinein, in ihrer weißen
Tunika, den hellen Hosen, den aufgesteckten Haaren und mit ihr sein Leben.
    Seither war er auf der Suche. Nach ihr. Nach Judith. Nach
seinem Leben. Obwohl er wusste, dass es aussichtslos war, dass sie verloren
war. Für immer. Von jenem Augenblick an, jenem verzweifelten, verloren für alle
Zeit, der Himmel ein Bogen, der sie nicht einmal in der Ferne hielt, nirgends.
Und dann ... war sie gekommen, diese hier. Marie. Und hatte den Glanz
zurückgebracht, den verloren gewussten, den Zauber. Und nun?
    Demütigte sie ihn. Nein. Schlimmer. War dabei, ihn zu
verlassen. Wie ihre Mutter.
    »Komm!«, sagte er. »Komm, lass es uns tun. Ich muss dich
spüren. Jetzt.« Aber sie sagte nein. Nein, oder wenn, dann erst, wenn sie wieder
zurück wären, zurück in der Stadt, dann nehme sie ihn mit zu sich, dann würden
sie sich einschleichen in die Wohnung, in ihr Zimmer, das sei geil, das sei der
Überkick mit der Hauer im Aufsichtszimmer, er werde sehen, das werde ihm
gefallen. Sie demütigte ihn. Es drang ein wie ein Stachel.
    Sie zog alle Register, wollte ihn überzeugen, wollte
zurück. Sie begann zu frieren in ihrem dünnen Kleid, zu zittern, an ihren Armen
stellten die Härchen sich auf, die Spitzen ihrer Brüste stachen durch das
Kleid, er musste sie immerzu anschauen, er konnte seine Augen nicht von ihr
lassen, seine Hände nicht. Sie stieß ihn zurück, sanft zwar, aber bestimmt.
»Komm«, sagte sie. »Lass uns aufbrechen. Es ist kalt. Ich friere. Lass es uns
später tun. In meinem Zimmer. Ich freu mich auf dich.«
    Ihre Stimme schmeichelte, gurrte, das war ein Fehler, er
durchschaute sie. »Ich freu mich auf dich.«
    Wie eine Taube, dachte er, ekelhaft, fick dich selbst, du
dumme Fotze! »Mach es mir!«, sagte er. »Mach es mir auf der Stelle!«
    Er machte seine Beine breit, öffnete die Hose, entspannte
sich. Noch stand alles auf der Kippe. Aber sie?
    Tat nichts. Suchte ein Gesprächsthema, wählte das falsche.
Selber schuld.
     
    Der Zeitungsartikel offenbarte die Geschichte eines
Unfalls und einer Fahrerflucht. Ein neunjähriges Madchen war dabei zu Tode
gekommen, sein Gesicht auf dem Zeitungsblatt wirkte fröhlich, neugierig, wie
neunjährige Kinder eben waren.
    Die Ermittler ließen die alten Akten kommen.
    Der Fall lag mehr als zwanzig Jahre zurück, war nie
aufgeklärt worden, der

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