Das Regenwaldkomplott
Polizeistation von Santo Antônio an und meldete anonym den Fund. Geraldo Ribateio fuhr von seinem Stuhl hoch und hetzte sofort zu Arlindo Beja.
Mit leerem Blick lag Benjamim Bento neben Helena, ein Zucken durchlief ab und zu seinen Körper.
»Willst du mir nichts sagen?« fragte sie und streichelte sein Gesicht, seine Brust und seine Lenden. Er dehnte sich unter ihren zärtlichen Händen und drückte sein Gesicht in ihr warmes, duftendes Fleisch.
»Ich habe nichts zu sagen.« Er kroch über sie wie ein wärmesuchendes Kind. »Bitte, frag mich nicht. Lena, frag mich nicht. Halt mich nur fest … ganz fest.«
Wie erwartet, landete Coronel Bilac gegen zehn Uhr vormittags auf der kleinen Flugpiste der Missionsstation. Ribateio, seine vier Polizisten, Beja und Pater Ernesto erwarteten ihn. Thomas sah vom Fenster des Hospitals, wie Bilacs Maschine ausrollte, einen Bogen fuhr und zum großen Platz vor der Mission zurückkehrte.
Das Hospital war leer. Alle Indianer waren verschwunden. Am Fluß lag das Shabono der Yanomami völlig verlassen da. Nicht einmal ein Hund war im Dorf geblieben, kein Lebewesen bis auf die Schildkröten im Wasserbecken und die Käfer und Raupen und bunten Schmetterlinge.
Coronel Bilac war mit drei Offizieren gekommen, nickte den strammstehenden Polizisten zu und hörte sich dann Ribateios Meldung an. Sie war Anlaß, daß Bilacs Gesicht sich verfärbte und hellrot wurde.
»Wir haben zwei neue Tote des ›Roten Pfeils‹!« berichtete der Tenente zackig. »Gefunden am Waldrand von Novo Lapuna. Zwei Garimpeiros. Diesmal ohne Zettel.«
» Sacanagem ! Schweinerei!« fluchte Coronel Bilac und gab Beja die Hand. Er bebte vor Zorn. »Ich werde dieses ganze Indianerpack ausrotten! Und keiner wird mir das übelnehmen. Es ist Notwehr. Pater Ernesto, ehe Sie den Mund aufmachen: Widersprechen Sie mir nicht. Ich kenne Ihre Argumente zur Genüge. Sie ziehen nicht mehr!«
Er marschierte zum Hauptgebäude der Mission, den Kopf gesenkt wie ein Büffel beim Angriff. Thomas verfolgte ihn vom Fenster aus. Er brauchte nicht mehr zu hören, was der Coronel knurrte – seine Körperhaltung verriet genug. Es war ein guter Gedanke gewesen, die Yanomami zu warnen und sie in den Wald flüchten zu lassen, wo sie sicher waren, dachte er wieder. Ist Bilac allein gekommen, oder folgen ihm noch Flugzeuge mit Polizeitruppen nach? Ein Bestrafungskommando …
Seine Befürchtungen wurden Wahrheit. Motorenlärm kam schnell näher, und dann setzten drei größere Flugzeuge auf der Piste auf und rollten zum großen Platz der Mission. Als sie standen, flogen die Türen auf, und ein junger Offizier und dreißig Polizisten sprangen auf die Erde. Sie waren mit MPs und Schnellfeuergewehren bewaffnet, sogar ein Granatwerfer wurde ausgeladen und eine Abschußrampe für kleine Bodenraketen.
Er plant ein Massaker, dachte Thomas. Ihn schüttelte es vor Entsetzen. Das wäre kaltblütiger Mord. Die Yanomami hier sind vielleicht in Sicherheit, was aber, wenn Bilac sie trotzdem findet? Gab es denn niemanden, der diesen Coronel aufhalten konnte?
Thomas verließ sein leeres Hospital und ging langsam hinüber zum Hauptgebäude. Die Polizisten hatten sich vor den drei Flugzeugen aufgebaut und warteten auf weitere Befehle. Säcke, Kartons, Kisten und verschnürte Packen wurden ausgeladen. Alles deutete darauf hin, daß die Polizeitruppe aus Boa Vista den Auftrag hatte, längere Zeit auf Santo Antônio zu bleiben.
Coronel Bilac stritt sich bereits heftig mit den Patres. Sein stämmiger, untersetzter Körper bebte dabei vor Empörung und Zorn.
»Das Maß ist voll!« schrie er gerade. »Verteidigen Sie nur Ihre hinterhältigen Indianer, Pater Vincence. Sie überzeugen mich nicht mehr! Es sind Indianerpfeile, rot gestrichen mit diesem verdammten Pflanzensaft. Und wenn wir den Täter nicht finden, wenn die Wilden ihn decken, dann bestrafen wir eben den ganzen Stamm, dann sind alle mitschuldig, dann verdient keiner mehr eine Gnade. Wie heißt das Sprichwort? Mitgegangen – mitgehangen! Das ist eine jahrhundertealte Weisheit. Und hier haben wir den typischen Fall, daß ein Mörder von der Gesamtheit seiner Mitwisser gedeckt wird!«
»Es ist nicht bewiesen, daß die Pfeile von den Yanomami stammen«, widersprach Pater Vincence.
»Das ist mir gleich!« brüllte Bilac. »Und Ihre Theorie, es könnte sogar ein Weißer sein in der Maske eines Indianers, ist völlig absurd! Damit dient er nicht den Stämmen, sondern hilft bei ihrer Vernichtung! Und die
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