Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
und her wälzte. Noch immer wusste sie nicht, ob Zir’Avans Tränke helfen würden, und sie wünschte sich sehnlichst, Lilith an ihrer Seite zu haben, denn wenn irgendjemand Atorian würde retten können, dann sie. Aber Lilith war weit entfernt an der Oberfläche, genauso wie Leána, die sie im Augenblick mehr denn je vermisste. Aramia schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, dann schloss sie für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, stand auf einmal Zir’Avan vor ihr – sie hatte ihn gar nicht kommen hören.
»Du solltest etwas schlafen«, sagte er in tadelndem Tonfall, »ob Atorian überlebt oder nicht, liegt nicht in deiner Macht.«
»Ich lasse ihn nicht allein«, entgegnete sie knapp. »Außerdem kann ich ohnehin nicht schlafen.«
Jetzt setzte sich Zir’Avan neben sie auf eine hölzerne Truhe, wobei sein seidiger schwarzer Umhang leise raschelte. »Dann mach mir die Freude und begleite mich, ich würde dir gern etwas zeigen. Mir’Eliv wird solange auf ihn achten.« Er nickte der Dienerin zu, welche, wie so oft, stumm in einer Ecke des Raumes gestanden hatte und nun sofort herbeieilte. Sie schien regelrecht über den Boden zu schweben, denn ihr langes Gewand verhüllte ihre Füße.
Zunächst wollte Aramia energisch widersprechen, aber dann gestand sie sich ein, dass sie etwas Abstand von ihren Sorgen um Atorian brauchte, und so nickte sie. Bevor sie aufstand, nahm sie Atorians Hand noch einmal in ihre und drückte sie fest. »Ich bin bald zurück.« Anschließend folgte sie ihrem Vater hinaus in die Stadt, wo langsam die Moose zu glühen anfingen und anzeigten, dass der Tag begann. Viele Stadtbewohner waren nicht mehr unterwegs, doch diejenigen, denen sie begegneten, verneigten sich respektvoll vor Zir’Avan und grüßten ihn höflich.
»Wie ich sehe, ist dir der Mensch sehr wichtig«, begann Zir’Avan ein Gespräch, nachdem sie eine ganze Weile schweigend nebeneinander hergewandert waren.
»Er hat seine Fehler, aber er ist ein guter Gefährte.« Aramia hatte nicht die Absicht, Zir’Avan Details über ihre etwas verworrene Beziehung und Atorians unerwiderte Gefühle für sie zu erzählen.
»Ich bin sehr froh, dass du es warst, die ihn zurückbegleitet hat, Aramia.«
»Das war die sinnvollste Lösung.«
Trotz ihrer eher knappen und kühlen Worte legte Zir’Avan ihr plötzlich eine Hand auf die Schulter. »Bas’Akir wird Darian sicher an die Oberfläche geleiten, sei gewiss. Er wird es nicht wagen, den Zorn der ’Avan auf sich zu ziehen.«
Jetzt lächelte Aramia vorsichtig, und ihr wurde etwas leichter ums Herz. Ihr Vater führte sie zum Ufer des Sees, hielt auf den breiten steinernen Steg zu, welcher weit ins Wasser ragte, und wechselte dann ein paar Worte mit den Còmraghâr-Kriegern, die dort Wache hielten. Die Männer ließen sie passieren, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.
»Was hast du vor?«, wollte Aramia wissen.
»Ich möchte dir die Ewigen Feuer von Kyrâstin zeigen«, erwiderte ihr Vater mit hörbarem Stolz in der Stimme. »Nur wenigen ist es erlaubt, sie außerhalb von rituellen Handlungen aus der Nähe zu sehen.«
Zunächst war Aramia skeptisch, warum man sich dieser auch schon vom Ufer erkennbaren lodernden Feuersäule überhaupt nähern sollte, aber während sie weiter über den Steg schritten, verstand sie Zir’Avan. Von hier aus wirkte die atemberaubende Unterwasserlandschaft noch viel grandioser als vom Ufer aus. Felsen, teilweise balsaltfarben, teilweise in einem hellen, elfenbeinfarbenen Ton, ragten aus dem glasklaren Wasser heraus. Sie bildeten regelrechte Unterwassergebirge; eine Formation sah beinahe aus wie ein natürlich gewachsenes Schloss mit gedrehten Türmen und Torbögen. Schillernde Fische und Quallentiere schwammen darin herum und bereicherten die steinernen Gebilde mit ihrer Farbenpracht. Selbst die Algen und Korallen glommen im Licht des Unterreichs, und Aramia hätte vermutlich einen halben Tag hier verbringen und die Wunder dieses Sees bestaunen können. Auch konnte sie von hier aus hautnah das Pulsieren der Ewigen Feuer spüren. Eine beinahe greifbare Energie ging von ihnen aus, und es war nicht nur Wärme, was Aramia fühlte, sondern mehr – vermutlich eine ganz eigene Art von Magie. Wenngleich sie noch relativ weit von dem Kristallturm entfernt waren, konnte Aramia erkennen, wie Abertausende von Feuergeistern in den Flammen umherwirbelten. Sie führten ihre eigenen, fröhlichen Tänze aus, verwandelten sich mal in ein loderndes
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