Das Reich der Dunkelheit
Formel, wie man Tote ins Leben zurückholte. Ja, Tránsito wollte das Geheimnis der Unsterblichkeit lüften.
Darum hatte er die gefangenen Emedianer bis zum Überdruss verhört und foltern lassen, und es war ihm gelungen, einige wertvolle Hinweise aus ihnen herauszupressen. Doch an die wichtigste Information, auf die sein neuer Herr Demónicus so versessen war, war er bisher noch nicht gekommen.
„Ich frage dich noch einmal, Soldat, wo ist Prinzessin Alexia?“
„Sie ist tot“, antwortete der im Sterben liegende Emedianer, der schon seit Tagen auf der Folterbank gefesselt war. „Unser Anführer Arturo Adragón hat sie getötet.“
„Bist du dir klar darüber, dass sich deine Situation nur noch verschlimmern kann?“, schrie der Mönch ihn an. „Wo ist der Leichnam der Prinzessin?“
„Das müsst Ihr Arturo Adragón persönlich fragen“, stöhnte der Soldat, da die Fesseln immer tiefer in sein Fleisch schnitten. „Ich weiß es nicht!“
Tránsito gab dem Folterknecht ein Zeichen. Der drehte daraufhin das Rad ruckartig weiter, wodurch die Stricke noch mehr gespannt wurden und das Leiden wie das Leben des Gefangenen ein Ende hatten.
Enttäuscht verließ Tránsito die Folterkammer. Er kam einfach nicht weiter. Die Leiche der Prinzessin blieb verschwunden. Er war sich sicher, dass Arturo sie geborgen hatte, selbst wenn es keine eindeutigen Beweise dafür gab. Aber er wusste auch, dass Demónicus kein Versagen duldete, vor allem dann nicht, wenn es um seine Tochter ging.
„Wo sind die nötigen Beweise?“, fragte er sich laut, als er in Arquimaes’ ehemaliges Laboratorium trat. „Wo?“
Tags darauf ritt ein Bote des Finsteren Zauberers über die Zugbrücke des Schlosses und bat um Audienz. Als Tránsito hörte, was sein Herr von ihm verlangte, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken.
***
A RTURO UND A RQUIMAES betraten die halb verfallene Ruine, auf deren Mauern Tránsito in großen Lettern geschrieben hatte, was er über seinen Bruder dachte. Arturo ließ den Blick über die Schrift wandern und las noch einmal Tránsitos Verwünschung:
A N DIESEM O RT ERHOB SICH EINSTMALS DIE A BTEI VON A MBROSIA, DIE VIELE J AHRE HINDURCH IM D IENSTE DER S CHREIBKUNST STAND. H IER WURDEN ZAHLREICHE B ÜCHER VERFASST, BEVOR B ARBAREN DEN M ÖNCHEN DAS L EBEN GENOMMEN ODER SIE VON HIER VERTRIEBEN HABEN. D IE S CHULD DARAN TRÄGT EIN V ERRÄTER NAMENS A RQUIMAES. E R HAT T OD UND S CHMERZ ÜBER UNS GEBRACHT. M ÖGE SEINE S EELE IN DER H ÖLLE SCHMOREN!
„Mit diesen Worten verflucht mich mein eigener Bruder“, sagte der Alchemist. „Auch ich habe Fehler gemacht und muss für sie büßen. Es gilt, unseren Frieden mit uns selbst zu schließen, mit den inneren Dämonen, die uns bedrängen.“
„Meister, ich verstehe nicht, warum Ihr mich nicht gegen die Armee des Demónicus kämpfen lasst“, sagte Arturo. „Mit Hilfe der Buchstaben könnte ich ein Blutbad in ihren Reihen anrichten. Und verhindern, dass unsere Männer sterben.“
„Ich verbiete es dir, weil ich dich vor dir selbst schützen muss, mein lieber Arturo“, antwortete der Weise. „Es ist nur zu deinem Besten.“
„Aber für mich besteht doch keine Gefahr! Die fliegenden Buchstaben gehorchen mir immer besser. Außerdem habe ich das alchemistische Schwert! Ich bin ein hervorragender Krieger, und Ihr wisst das.“
Arquimaes trat auf Arturo zu und zog ihm besagtes Schwert aus der Scheide. Dann hieb er damit durch die Luft, so als wolle er etwas Unsichtbares durchschlagen, und sagte: „Es geht nicht um dein Leben, es geht um dich, um deinen Geist, deine Seele. Es geht um das Beste in dir. Das ist es, was ich meine, Arturo.“
„Aber ich bin doch jetzt der Anführer der Schwarzen Armee! Königin Émedi hat mich zum Ritter geschlagen, und ich habe ihr die Treue geschworen. Ich bin bereit für …“
„Das war, bevor du Alexia getötet hast“, unterbrach ihn der Weise. „Ihr Tod hat dich verändert. Du verlierst die Kontrolle über dich, und ich will dir helfen, sie wiederzuerlangen.“
„Das verstehe ich nicht, Meister. Ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr sprecht. Gewiss, mein tödlicher Irrtum schmerzt mich zutiefst, und ich vermisse Alexia sehr. Aber ich bin durchaus in der Lage, gegen unsere Feinde zu kämpfen. Ich habe Euch doch erzählt, was neulich nachts geschehen ist.“
„Genau das meine ich, Arturo! Du hast alle ohne Ausnahme töten lassen, obwohl gar keine Notwendigkeit dazu bestand. Deine Macht überfordert dich. Du bist
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