Das Reich der Dunkelheit
Die Zeichnung ist so gut gemacht, dass man meint, er bewegt sich, wenn man ihn von Nahem sieht. Möchte wissen, wie der Drache dahingekommen ist.“
Sie steht auf und fährt mir mit der Hand über den Kopf.
„Dein Haare wachsen schon wieder nach“, stellt sie fest. „Du musst dich rasieren.“
„Ich wollte eigentlich dich fragen, ob du das nicht übernehmen willst.“
„Du hast mir immer noch nicht erzählt, warum ich dir die Haare abrasieren sollte“, sagt sie. „Willst du es mir nicht verraten?“
„Das erklär ich dir später. Betrachte es einfach als eine Laune von mir. So was kommt vor in unserem Alter, du weißt schon, die ganzen Filme, die Comics und all das …“
„Ja, ja … Aber die Idee ist dir nach dem Kampf mit Stromber gekommen. Hatte das was damit zu tun? Glaubst du, du bist wiedergeboren worden? Ist es so was wie ein Symbol dafür, dass du ein neues Leben beginnen willst, wie alle, die wieder ins Leben zurückkehren?“
„Niemand kehrt ins Leben zurück.“
„Ich meine, die Figuren in Büchern oder in Filmen.“
Wie immer lässt Metáfora nicht locker. Sie versucht, mir weiszumachen, dass der Vorfall in der Grotte sie nicht sonderlich beeindruckt hat, aber im Grunde ist sie genauso verwirrt wie ich.
„Erzähl keinen Blödsinn, Metáfora. Ich kann nicht an so was glauben. Weder an Auferstehung noch an Unsterblichkeit. Solche Dinge sind vielleicht im Mittelalter vorgekommen.“
„Aber dein Vater glaubt an die Wiedererweckung von den Toten. Er will Reyna immer noch ins Leben zurückholen, und meine Mutter soll ihm dabei helfen.“
„Das geht wieder vorbei. Ich glaube, wenn Sombra und er zusammenhocken, hecken sie irgendeinen Unsinn aus und wissen hinterher nicht mehr, wie sie aus der Nummer wieder rauskommen sollen. Vergiss es.“
„Aber du selbst warst doch ganz begeistert davon, als du es mir erzählt hast. Erinnerst du dich nicht mehr?“
„Doch, doch, natürlich … Ich hab mich von ihm mitreißen lassen, aber dann ist mir klar geworden, dass es dummes Zeug ist.“
„Aber er ist immer noch ganz besessen davon“, sagt Metáfora.
„Pah, das geht vorbei, du wirst schon sehen. Hier, hör dir das mal an: Liebe entsteht aus den Träumen. Merkwürdig, nicht wahr?“
XI
G EWITTERWOLKEN
D AS T AL VON Ambrosia war eine kalte, feuchte Gegend. Schneestürme und heftige Regenfälle waren nichts Ungewöhnliches. Darum war niemand beunruhigt, als der Himmel sich zuzog.
Während Arquimaes und Arturo Vorbereitungen für ihre lange Reise trafen, bemerkte Königin Émedi, dass aus den Wolken weder Regen, Hagel noch Schnee fielen. Sie türmten sich über der alten Abtei von Ambrosia, wo die Emedianer ihr Lager aufgeschlagen hatten und ein neues Leben zu beginnen versuchten.
„Ich mache mir Sorgen“, sagte die Königin zu Arquimaes, der einige Dinge für die Reise einpackte. „Die Wolken stehen wie ein Dach über unseren Köpfen, und es sieht überhaupt nicht danach aus, als würde es regnen. Nicht einmal der Wind konnte sie vertreiben. Ich verstehe das nicht. Sie scheinen am Himmel verankert zu sein.“
Wie immer bemühte sich Arquimaes, Ruhe zu bewahren und der Sache keine große Bedeutung beizumessen.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, meine Königin“, sagte er so gleichgültig wie möglich. „Wolken ziehen dorthin, wohin sie wollen, und nichts kann sie davon abhalten. In den nächsten Tagen werden sie auch wieder verschwinden und du wirst sie schnell vergessen.“
„Wahrscheinlich hast du recht, mein lieber Arquimaes“, antwortete Émedi. „Ich mache mir Sorgen über Dinge, die völlig nebensächlich sind. Entschuldige, dass ich dich damit belästigt habe.“
„Manchmal betrachten wir die Wolken und vergessen dabei die Wirklichkeit um uns herum, meine Liebe“, entgegnete der Weise. „Wir haben auf der Erde genug zu tun und sollten uns lieber um unsere Angelegenheiten kümmern, als uns den Kopf über das zu zerbrechen, was am Himmel geschieht.“
Doch Arquimaes wusste sehr wohl, dass die Formation der schwarzen, rötlich leuchtenden Wolken ungewöhnlich war. Deswegen schlug er noch am selben Morgen in seinen Büchern nach und kam zu dem Schluss, dass eine große Gefahr bevorstand.
Er ging zum Exerzierplatz hinüber, wo Arturo und Leónidas sich in der Schwertkunst übten.
„Ich muss dich sprechen, Arturo“, sagte er, als die beiden eine Pause machten. „Es gibt da etwas, das mich beunruhigt.“
„Können wir nicht später darüber reden, Meister?
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