Das Reich der Dunkelheit
wieder.“
„Ach, mein Kind“, seufzt der Mönch, „wir können das Kloster doch nicht nach unten schaffen. Der Gründer unseres Ordens hat beschlossen, hier oben den Grundstein zu legen, und wer sind wir, dass wir den Standort verändern könnten?“
„Heutzutage kann man ganze Gebäude versetzen“, sage ich. „Ich habe von amerikanischen Millionären gehört, die sogar ein Schloss aus Europa in die Vereinigten Staaten transportiert haben, Stein für Stein.“
„So etwas sollte man nicht tun. Was einmal an einer Stelle errichtet worden ist, soll dort bleiben. Es müsste verboten sein, Gebäude an eine andere Stelle zu versetzen. Gebäude stehen auf ihren Fundamenten, und niemand sollte daran rütteln.“
Wir überqueren einen großen Innenhof, auf dem mehr als eine Handbreit Schnee liegt. Es sind nur wenige Fußspuren zu sehen. Wir gehen in das einzige Gebäude, aus dessen Kamin Rauch aufsteigt. Falls Menschen in den anderen Häusern wohnen, so müssen sie halbtot sein vor Kälte. Ich jedenfalls würde so etwas keinen Tag überleben. Gut, dass ich warm angezogen bin.
Als Erstes betreten wir eine Küche. Dort herrscht rege Betriebsamkeit. Es riecht nach gekochtem Gemüse und frisch gebackenem Brot. Die Köche scheinen Experten in ihrem Fach zu sein. Sie erinnern mich an die Köche in den großen Restaurants; auch sie gönnen sich keine Minute Pause.
„Wir haben Besuch, Brüder“, verkündet der Mönch, der uns das Klostertor geöffnet hat. „Können wir ihnen ein warmes Süppchen anbieten, damit sie sich aufwärmen?“
„Natürlich, Bruder Pietro“, antwortet ein Mönch, der kaum Haare auf dem Kopf, dafür aber einen dichten Bart hat. „Sie sollen sich bedienen. Da drüben steht der Topf.“
„Machen Sie sich wegen uns keine Umstände“, sage ich höflich. „Wir bleiben ja nicht lange.“
„Das sind doch keine Umstände“, erwidert Bruder Pietro. Er nimmt einen Schöpflöffel und verteilt die dampfende Suppe auf die klobigen Tassen. „Hier, davon werden Tote wieder lebendig.“
Metáfora nimmt die Tasse, die ihr angeboten wird, in beide Hände, so als wolle sie sich daran wärmen.
„Hmm“, macht sie. „Das riecht gut!“
Cristóbal führt seine Tasse an den Mund und trinkt.
„Vorsicht“, warnt ihn Bruder Pietro, „sie ist sehr heiß!“
„Hu!“, ruft Cristóbal. „Stimmt. Verdammt heiß!“
„Warum bist du auch so ungeduldig!“, schimpft Metáfora mit ihm. „Immer dasselbe mit dir. Sei nicht so gierig!“
Behutsam nehme ich meine Tasse und warte ein wenig, bevor ich sie an die Lippen setze.
Ich trinke die Suppe und fühle, wie das Leben in meine Glieder zurückkehrt. Vom Magen geht eine Energie aus, die sich über den ganzen Körper ausbreitet.
„Wunderbar!“, sage ich. „Findet ihr nicht auch?“
„So etwas habe ich noch nie getrunken“, sagt Metáfora. „Woraus ist sie gemacht?“
„Das werden wir nie erfahren. Die Brüder geben das Geheimnis dieser Suppe nicht preis. Das Rezept stammt aus dem Mittelalter und hat schon vielen das Leben gerettet. Ich kann euch versichern, dass in diesem Kloster noch nie jemand erfroren ist.“
„Schmeckt ein wenig nach Fleisch“, sage ich. „Huhn vielleicht?“
„Und noch einiges andere“, antwortet einer der Köche, dessen Schürze über und über mit Fettflecken bedeckt ist. „Und ich denke gar nicht daran, es dir zu verraten, mein Junge! Es wird immer ein Geheimnis bleiben. Das Rezept gehört uns, den Mönchen vom Kloster Monte Fer. Wir würden es nicht mal unter Folter preisgeben.“
„Wenn du genug getrunken hast, bringe ich dich zum Abt“, sagt Bruder Pietro zu mir. „Er erwartet dich.“
„Können wir auch mitkommen?“, fragt Metáfora.
„Tut mir leid, aber der Abt hat mir präzise Anweisungen gegeben.“
Bruder Pietro und ich treten wieder auf den Innenhof hinaus. Seltsamerweise spüre ich die Kälte kaum. Die Suppe hat Wunder gewirkt.
Wir kommen zu einem grauen Gebäude und steigen eine breite Treppe hinauf in den ersten Stock. Über einen langen Korridor gelangen wir in die Bibliothek. Neben einem Fenster steht ein Mann, der uns schweigend entgegensieht. Ich erkenne in ihm den Mönch wieder, der den Vortrag in der Stiftung gehalten hat: Bruder Tránsito, Experte für mittelalterliche Kalligrafie.
„Hallo, Arturo“, begrüßt er mich und kommt uns ein paar Schritte entgegen. „Tut mir leid, dass du dich eigens herbemühen musstest, aber es ging nicht anders.“
„Das ist doch das Mindeste,
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