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Das Reich der Elben 01

Das Reich der Elben 01

Titel: Das Reich der Elben 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Eisenring an der Felswand. Keandir stellte fest, dass keinerlei Wärme von den Flammen ausging. Sie hatten es offenkundig mit Zauberei zu tun. Es war alles nur eine magische Illusion.
»Nur durch Hexerei kann man sich bei den geflügelten Bestien, die dort draußen lauern, einigermaßen Respekt verschaffen«, sagte der Augenlose, und erneut schallte seine Stimme nur in den Köpfen der beiden Elben. »Ich lebe schon so lange hier – da weiß ich inzwischen, wie man sie sich vom Leib hält. Es ist auch nicht schwer zu lernen.«
Keandir warf Branagorn einen schnellen Blick zu und sah an dessen Gesichtsausdruck, dass er die Stimme ebenfalls vernahm. Dann schaute er wieder den Augenlosen an. So abstoßend dessen äußere Erscheinung auch sein mochte, er klang durchaus vertrauenerweckend. »Wer seid Ihr?«, fragte der Elbenkönig.
»Es ist lange her, dass man mich mit einem Namen ansprach. Ich weiß nicht, ob ich mich wieder daran gewöhnen kann. Es ist überhaupt lange her, dass sich jemand in diese Höhle verirrte, um mit mir ein Gespräch zu führen. Länger als ein Äon. Die Erde und der Himmel haben seitdem ihre Gestalt verändert, und keine der Arten, die damals die Erde bevölkerten, gibt es noch. Ich bin der Einzige, der aus diesem fernen Zeitalter übrig blieb. Es hat daher auch keine Bedeutung, welchen Namen ich damals trug. Nennt mich einfach den Augenlosen Seher.«
»Ein Seher seid Ihr?«
»Ja, kurzlebiger Bruder des Todes.«
»Unser Volk gilt gemeinhin als sehr langlebig.«
»Für mich seid ihr wie Eintagsfliegen, kaum die Mühe eurer
Geburt wert.«
Keandir ging nicht auf die Bemerkung ein. Vielleicht wollte ihn der Augenlose mit diesen Worten beleidigen, doch der König der Elben gab sich keine Blöße, indem er darauf reagierte.
Stattdessen steckte er sein Schwert ein und fragte: »Wenn Ihr ein Seher seid, so vermögt Ihr die Wege des Schicksals vorherzusehen?« Es war nicht anzunehmen, dass der Augenlose sie angreifen würde. Und wenn, dann sicherlich mit Magie, und gegen die nutzte selbst eine scharfe Elbenklinge nichts.
Branagorn folgte dem Beispiel seines Königs, wenn auch nur zögernd.
»Die Wege des Schicksals?«, wiederholte der Augenlose.
»Nun, ich vermag ihre Gabelungen zu erkennen. Aber ich sehe auch anderes…«
»Bei jemandem, der keine Augen hat, klingt das…« Keandir verstummte.
»… vermessen?«, fragte der Augenlose und lachte heiser; dabei benutzte er anders als beim Sprechen den Mund. Aus der zahnlosen dunklen Höhle drang uralter Atem von fast betäubender Intensität.
Ein Schauder erfasste Keandir, und Branagorn war anzusehen, dass es ihm keineswegs anders erging. Mit ihren feinen Elbensinnen empfanden sie beide den Gestank als nahezu unerträglich. Aber immerhin hatte der Seher ohne Augen ihnen das Leben gerettet – und Keandir fand, dass dieser Umstand ein gewisses Maß an Vertrauen rechtfertigte.
Keandir erinnerte sich an das düstere Geraune, das er schon am Strand vernommen hatte. Er war plötzlich sicher, dass es die Stimme des Augenlosen gewesen war.
Dieser bewegte den Kopf, fast so, als würde er den König mustern. »Ich blicke in Eure Seele, König Keandir. Und dabei sehe ich gleichermaßen den Triumph und die Abgründe. Manchmal liegt beides sehr nahe beisammen…«
»Seht Ihr auch die Gabelungen meines Schicksals?«, fragte
Keandir.
»Ja.«
»Dann möchte ich mehr darüber wissen!«
»Ihr steht an einer solchen Gabelung. Eure Zukunft, die Vergangenheit und das, was gegenwärtig ist – all dies liegt offen vor mir.« Der Augenlose kicherte. »Eine Geburt wird das Schicksal Eures Volkes verändern – und ganz besonders das Eure.«
»Redet weiter!«, forderte der König, dem natürlich sofort
Ruwens Schwangerschaft in den Sinn kam.
»Es wird eine Zwillingsgeburt sein.«
»Zwillinge?«, fragte Keandir ergriffen. Er starrte den
Augenlosen ungläubig an. »Ist das wahr?«
»Ja, ich sehe es ganz deutlich.«
War es möglich, dass Ruwen gleich in zweifacher Weise gesegnet war? Schon die Geburt eines einzelnen Kindes war unter den Elben eine Besonderheit, die als außerordentlich glückliche Fügung und Geschenk der Götter betrachtet wurde. Noch viel seltener und verheißungsvoller war aber die Geburt von Zwillingen.
Wenn es tatsächlich so sein sollte, musste dies Keandirs Meinung nach ein Zeichen der Götter sein. Ein Zeichen, dachte er, das uns helfen wird, die richtigen Entscheidungen für die Zukunft des Elbenvolks zu treffen…
»Ich muss mehr über die Zukunft

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