Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reich der Elben 01

Das Reich der Elben 01

Titel: Das Reich der Elben 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
an der Ruderpinne und wirkte zufrieden. Der Wind fuhr ihm durch das dunkle Haar, und sein Gesichtssausdruck wirkte entschlossen.
»Lass uns umkehren«, sagte Andir. »Die Magie, die hier herrscht, können wir nicht in die Schranken weisen!«
»Nicht einmal ein Vielleser alter Schriften wie du?«, höhnte
Magolas.
»Wir wissen nicht, ob der alte Zauber, der die Insel damals umgab, vielleicht wieder aktiv ist und wir Naranduin nie wieder verlassen können, wenn wir ihr uns zu weit nähern.«
»Unser Vater hat den Bann gebrochen«, sagte Magolas.
»Was soll uns geschehen? Und die Ouroungour scheinen nicht hinaus aufs offene Meer zu fliegen, sonst wären sie längst schon in Westgard gesichtet worden, was nicht der Fall ist. Du weißt, dass ich mich danach erkundigt habe.«
»Was wissen wir schon, Magolas!«, sagte Andir besorgt.
Sein Bruder lachte. »Nach dieser Fahrt werden wir jedenfalls mehr wissen!«
»Nein, wir kehren um!«, beharrte Andir.
Erneut lachte Magolas, und für einen Moment sah Andir, wie sich die Finsternis in den Augen seines Bruders ausbreitete und sie vollkommen ausfüllte. Dann beugte sich Magolas und zog das Segel etwas strammer, sodass er härter am Wind fahren konnte.
Andir stürzte sich auf ihn, riss ihn von der Ruderpinne weg. Die Barkasse drehte in den Wind, das Segel hing schlaff herab, und das Boot verlor innerhalb eines Augenblicks die Fahrt und
dümpelte nur noch in den Wellen. Die beiden Elben kämpften, rangen miteinander, und die Barkasse schaukelte dabei so stark, dass ein Schwall Wasser über die Bordwand schwappte.
Dann ergriff Andir eines der eingezogenen Ruder, die bei Flaute benutzt wurden, schlug zu und traf Magolas am Kopf. Elbenblut rann aus einer Platzwunde, die sich schon zwei, drei Herzschläge danach wieder zu schließen begann. Aber der Schlag war zu heftig gewesen. Wie ein gefällter Baum fiel Magolas der Länge nach ins Boot und blieb bewusstlos liegen.
Andir wendete das Boot, während sein Bruder bewusstlos dalag. Zunächst sickerte noch Blut aus der Wunde an seinem Kopf und wurde vom Holz der Barkasse aufgesogen, sodass dort für immer ein dunkler Fleck bleiben würde, aber nachdem Andir nach der Wende das Segel wieder festgezurrt und die Barkasse mit seitlichem Wind auf Kurs gebracht hatte, bemerkte er, dass der Blutfluss verebbt war und sich die Kopfwunde bereits wieder schloss. Es dauerte nicht mehr lange, und es war nichts mehr von ihr zu sehen, so als hätte es sie nie gegeben. Lediglich der Blutfleck im Holz zeugte davon, dass sie existiert hatte.
Die Selbstheilungskräfte der Elben waren sprichwörtlich und übertrafen wahrscheinlich diejenigen fast aller anderen Geschöpfe. Und im Laufe der Jahrtausende hatten die elbischen Heiler ein reichhaltiges Wissen darüber angesammelt, wie diese körpereigenen Heilungskräfte durch den Einsatz von Magie oder wirksame Essenzen noch gefördert werden konnten. Aber das, was Andir bei seinem Bruder sah, übertraf alles, wovon er je gehört hatte, selbst die Geschichten über wundersame Heilungen, die sich die Athranor-Geborenen erzählten.
Andir schauderte es vor seinem Bruder, und er fragte sich, ob diese besondere Heilkraft vielleicht in irgendeiner Form mit der Finsternis zusammenhing, die er in den Augen von
Magolas gesehen hatte. Eine dunkle Magie schien in ihm beheimatet, und sie war vielleicht dafür verantwortlich, dass Wunden, die er sich zuzog, so rasch heilten. Doch da war noch ein anderer Gedanke, der Andir zu schaffen machte.
Sie waren Zwillinge und glichen sich in beinahe jeder Hinsicht. War es da nicht naheliegend anzunehmen, dass die Finsternis, die offenbar von seinem Bruder Besitz ergriffen hatte, auch tief in Andirs Seele verborgen war? Andir versuchte sein Inneres zu erforschen und fand nichts dergleichen. Aber das musste nichts heißen. Möglicherweise wusste sich die Finsternis in ihm gut zu verbergen und wartete nur auf den richtigen Augenblick, um sich entfalten zu können. Andir hatte in den alten, noch in Athranor mit Elbenseide gebundenen Folianten, die die Bibliothek von Elbenhaven füllten, vom Unterschied zwischen schwarzer und weißer Magie gelesen – und davon, wie zerstörerisch Erstere letztlich auf denjenigen wirkte, der sie anwandte und von ihr besessen wurde. Aber wie so häufig hatte es zu diesem Thema schon in Athranor unter den elbischen Gelehrten sehr unterschiedliche Meinungen gegeben, sodass sich in den Schriften zu jeder Theorie auch die gegenteilige Position mit guten

Weitere Kostenlose Bücher