Das Reich der Elben 01
Gegenstände wie Euer Sohn Magolas.«
»Und wenn schon…«
Prinz Sandrilas berührte den Griff des Schwerts, das an seiner Seite in der Scheide steckte. »Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass das Böse schlagartig von einem Besitz ergreifen kann, mein König. Als ich Düsterklinge in das Feuer des brennenden Steins hielt, in dem die Ouroungour ihre Waffen erneuerten, überkam mich ein unbändiger Hass und ein Drang, dem ich fast erlegen wäre – ich hätte diese Waffe beinahe gegen Eure treuen Untertanen Merandil, Lirandil und Thamandor gerichtet, denen ich mich eng verbunden fühle. Andererseits erschlug ich mit dieser Waffe den Augenlosen
Seher – etwas, das mir nur möglich war durch den Zauber des brennenden Steins. Offenbar kann man eine Magie, die vom Bösen geschaffen wurde, auch gegen das Böse und damit zum Guten verwenden. Warum sollten wir die Zauberstäbe also nicht im Dienste des Elbenreichs einsetzen? Wir werden in Zukunft sehr mächtige Waffen brauchen, mein König. Viel mächtigere, als selbst unser arrivierter Waffenmeister Thamandor sie herzustellen weiß.«
»Da bin ich mit Euch einer Meinung, werter Prinz Sandrilas«, stimmte der Elbenkönig zu. »Aber ich hoffe, dass wir die Magie dieser Stäbe niemals werden gebrauchen müssen.«
Sandrilas nickte nur – und auf einmal erinnerte er sich wieder daran, was Lirandil der Fährtensucher damals auf der Insel des Augenlosen Sehers zu ihm gesagt hatte: »Ich weiß nicht, ob diese finstere Magie noch in Euch ist – aber sollte sie je Macht über Euch erlangen, so werde ich mich Euch entgegenstellen. Das solltet Ihr wissen.«
Es war seltsam, dass ihm diese Worte gerade in diesem Moment, da er mit seinem König über die Stäbe des Augenlosen sprach, wieder in den Sinn kamen. Er schaute Keandir an – und sah, dass sich dessen Augen verengten. Er fixierte Sandrilas einen Moment lang mit seinem Blick, und Sandrilas befürchtete schon, seine Gedanken laut ausgesprochen zu haben, aber dann sagte der Elbenkönig:
»Magolas war während meiner Abwesenheit hier unten. Ich kann es spüren. Spuren seines Geruchs und seiner Aura sind hier…«
»Ja, das ist wahr«, gestand Sandrilas. »Aber er hat die Grenze, die Ihr gesetzt habt, nicht überschritten und ist nicht in die Kammer eingedrungen.«
»Weil Ihr ihn überrascht habt?«
»Nein. Weil er den Wunsch seines Vaters respektiert.«
Keandir seufzte. »Vielleicht schicke ich ihn eine Weile in königlicher Mission im Land umher, damit die Versuchung durch die Stäbe „ nicht zu stark wird…«
Es dauerte fast ein Menschenalter, bis Andir es mit Hilfe der elbischen Magier und Schamanen geschafft hatte, die große Mauer entstehen zu lassen, die sich wie geplant an der Grenze zwischen dem elbareanischen Hochland und der Ebene von Aratan entlangzog – von der Küste des Zwischenländischen Meeres bis zu den Bergen der Zylopier. Andir bestand darauf, dass zumindest die Fundamente dieser mit Magie erschaffenen Wehrmauer aus solidem Gestein bestanden. Zu diesem Zweck nahm Herzog Branagorn von Elbara mit den Riesen aus Zylopien Verbindung auf. Allein deren Vertrauen zu erwerben dauerte Jahre. Anschließend brauchte es noch einmal eine längere Zeit, bis Branagorn sie dazu bewegt hatte, den Bau der Mauer mit Gesteinsblöcken aus ihren Steinbrüchen zu unterstützen. Man wurde sich schließlich einig, als Branagorn den Zylopiern klarmachen konnte, dass sie nicht mehr ein Leben in Abgeschiedenheit würden führen können, wenn erst Horden von Rhagar in ihr Land eindrangen. Da die zylopischen Riesen aber nicht nur den Verzehr von Fleisch, sondern auch jegliche Regierung prinzipiell ablehnten und als unzumutbaren Eingriff in die persönliche Selbstbestimmung jedes Einzelnen ansahen, dauerte es fast ein Jahrzehnt, ehe sie zu einer Entscheidung gelangten.
Schließlich aber erklärten sich die Riesen Zylopiens bereit, Gesteinsblöcke für die Fundamente der Aratanischen Mauer aus ihren Steinbrüchen zu liefern und auch deren Transport zu übernehmen. Unterstützt wurden sie dabei von zahlreichen Zentauren, die aus den Südwestlanden vertrieben worden waren und nun in großer Angst vor den Rhagar im südlichen
Waldreich lebten. Mochten sich die Rhagar inzwischen auch an das von Keandir verkündete Tabu halten und kein Zentaurenfleisch über ihren Feuern braten, so hieß dies noch lange nicht, dass sie diesen Mischwesen gegenüber auf einmal freundlich gesonnen gewesen wären. Das Gegenteil war der Fall, und so ließen sich
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