Das Reich der Katzen (German Edition)
ihr, was geschehen war. »Twinky hat den
Totenfresser mit einem gewaltigen Sprung ihres drahtigen Körpers geköpft. Das
hättest du sehen müssen«, schwärmte er. »Bruce Lee war ein Fliegenschiss dagegen.«
Onisha grinste still in sich hinein. Twinkys Ansehen hat wohl
mächtig zugenommen, dachte sie.
Und so war es auch. Man verzieh ihr ihre Zickigkeit jetzt weitaus
öfter.
»Und wie ging es weiter?«, wollte Onisha wissen.
Blackbird trippelte auf und ab. Und nickte. »Valentin hat uns und
den geköpften Totenfresser ausfindig gemacht und die anderen zu Hilfe gerufen.
Sie haben sich durch den Nebel herangetastet und sehr bald festgestellt, dass
die Totenfresser zwar allesamt von Furcht einflößendem Äußeren, aber ihre
jahrtausendalten morschen Knochen nicht sehr stabil waren.« Blackbird zwinkerte
Onisha zu. »Während du weggetreten warst, haben wir uns einige Kämpfe mit den
Mumien geliefert, und als sich die Sonne am Horizont anschickte aufzugehen,
verloren gottlob nicht nur wir, sondern auch die Totenfresser sichtlich an
Kraft.« Blackbird klapperte auf seine unnachahmliche Art und Weise mit dem
Schnabel. »Sie sind zurück in die Grabkammer gestakst und haben dabei winselnde,
klagende Laute ausgestoßen ...«
»Woher weißt du das?«, unterbrach ihn Onisha.
Blackbird plusterte sich zu einer dunklen Kugel auf. »Ich war
neugierig und bin ihnen nachgeflogen ...«
»Bist du wahnsinnig?«, entfuhr es Onisha.
»Ein wenig«, hielt ihr Blackbird mit unbewegter Miene entgegen.
Aber in seinen Augen funkelte es belustigt.
»Und du hast das alles beobachtet?«, fragte Onisha schwach.
Die Krähe nickte heftig. »Und ob ich das habe. Das volle
Programm. Das Beste kommt aber noch. Enttäuscht, dass sie nichts zwischen die
Zähne gekriegt haben, sind sie über Lavina hergefallen. Die Kraft des Steins
der Weisheit hat ihre Magie so geschwächt, dass sie sich nicht dagegen wehren
konnte und jetzt auch in einem der Sarkophage liegt.« Er krächzte heiser. »Ich
glaube, von ihr sehen und hören wir nie wieder etwas.«
Nach diesem Erlebnis hatte Onisha einen völlig anderen Traum. Er
handelte von einer Göttin, die im Zorn in die Wüste geflohen war und dort als
wilde Löwin lebte. Als Onisha erwachte, flüsterte die Stimme wieder Sachmet,
Sachmet, und Onisha konnte sich weder von dem Traum, den sie nicht verstand,
noch von der Stimme, die ihr immer unangenehmer wurde, lösen.
Still lief sie neben ihren Freunden her.
Doch ihre Schweigsamkeit fiel nicht weiter auf. Zu sehr waren die
Katzen mit den Totenfressern, denen sie in letzter Sekunde entgangen waren, und
mit Lavinas möglichem Untergang beschäftigt. Beides war Gesprächsthema Nummer
eins. Wenngleich Fleur auch schweigsamer war als sonst. Auch sie hatte
geträumt. Und der Traum ähnelte dem Onishas. Mit einem Unterschied: Ihr war
Bastet erschienen und hatte Fleur vor Gefahren gewarnt, die noch auf sie warteten.
Und die hatten es in sich.
DAS REICH DER KATZEN
Sie ließen die Pyramiden und das Niltal hinter sich. Somit auch
die Wüste, die ihnen so viel Kraft abverlangt hatte. Das Land wurde wieder
grüner. Saftiger und lebendiger mit bunten Laubbäumen, die nach zwei
Tagesmärschen einen undurchdringlichen Wald bildeten.
Die Katzen waren mehr oder weniger schweigend hintereinander
hergetrottet. Bis Ben vor einem Gebilde stoppte, das an einen überdimensionalen
Tannenzapfen erinnerte.
Es WAR ein Tannenzapfen. In der Größe eines Hauses.
»Ich werd nicht mehr«, entfuhr es Ben. »Was ist das denn für ein
Ding?« Er blickte Valentin fragend an, aber der zuckte nur die Schultern. Ben
riss die Augen auf. »Du weißt auch nicht, was das ist?«, fragte er fassungslos.
»Das ich das noch erleben darf!«
Valentin schnaubte amüsiert. »Ich bin nicht allwissend.« Ben
sparte sich die Antwort. Viel mehr interessierte ihn das Zapfenhaus. Bevor er
dazu etwas äußern konnte, öffnete sich knarrend eine Tür und ein kleines
spindeldürres Männchen trat heraus.
»Ihr seid wohl scharf auf meine Schätze«, schnarrte der Zwerg und
baute seinen kleinen Körper, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet war, vor
Ben auf. Der hätte nur husten müssen und der Wicht wäre meterweit durch die
Luft gesegelt.
»Versucht erst gar nicht, in das Silberhaus einzudringen«, zirpte
der Kleine mit seiner Fistelstimme.
»Was quasselt der Kerl da?«, wollte Twinky wissen und ging nah an
den Zwerg heran. Der kreischte empört und erhielt von der Schildpattkatze
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