Das Reich der Katzen (German Edition)
Sie stöhnte und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
Aber es nützte nichts. Es war eine ausweglose Situation. Was diese Kreaturen
wohl mit ihren Freunden gemacht hatten? Ob sie noch lebten?
Onisha lief ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, sie
könnten tot sein.
Plötzlich entstand Tumult. Einige Krokodilmänner traten hektisch
neben Sobek. »Die Katzen, Herr ... die Katzen ...«, riefen sie aufgeregt.
»Was ist mit den Viechern? Machen sie Schwierigkeiten? Wenn ja,
macht sie kalt.«
Onisha stand kurz vor einer Ohnmacht.
»Das geht nicht mehr«, stammelte eine der Kreaturen.
Sobek stieß einen gurgelnden Laut aus, der amüsiert klang. »Sind
sie schon hinüber?« Er klatschte in die Hände. »Wundervoll, ich habe großen
Hunger.«
»Sie sind befreit worden.«
»Waas?« Sobek fuhr herum. »Sie sind was?«
»Sie sind befreit worden«, wiederholte die Kreatur.
»Wie war das möglich?«, schrie Sobek, außer sich vor Wut.
»Es ging alles sehr schnell. Wir hatten die Katzen, wie befohlen,
für das Fest auf den Turm gebracht. Plötzlich kamen Menschenvögel ...«
»Menschenvögel? Was soll das denn sein?«, schrie Sobek. Sein
grünes Krokodilgesicht lief rot vor Wut an. »Es waren Krähen mit
Menschenleibern. Sie flogen herbei, entrissen uns die Katzen und flogen davon.«
»Und ihr Hirnlosen habt nichts unternommen? Muss man denn alles
alleine machen?« Sobek war außer sich vor Zorn. Er krallte seine Hände in
Onishas Rücken. Sie schrie schmerzerfüllt auf. »Ist sie die Einzige aus der Brut,
die wir noch haben?«
Sobeks Untertanen nickten kleinlaut.
»Wie war es möglich, dass sie entkommen konnten?« Sobek ließ
Onisha los und rannte auf und ab.
»Die Vogelmenschen wurden durch einen Ring Krähen geschützt.«
»Krähen?« Sobek spuckte das Wort förmlich aus. »Und was habt ihr
Jammergestalten unternommen? Habt ihr den Viechern applaudiert?«
»Wir haben mit Pfeilen auf sie geschossen. Aber sie waren zu
schnell. Wir haben ein paar getroffen, aber das war auch schon alles. Sie waren
zu schnell.«
»Zu schnell?« Sobeks Stimme überschlug sich fast. »Das hört sich
ja beinahe so an, als ob sie zaubern konnten.«
»So sah es für uns auch aus ...«, stotterten die Kreaturen.
»Einer rief so etwas wie ‚Sag deinem Boss schöne Grüße von Blackbird‘.«
Onisha hätte schreien können vor Erleichterung. Blackbird und
ihre Freunde lebten!
Blackbird und seine Freunde hatten die Katzen in sicherer
Entfernung abgesetzt. Waren wieder zu Krähen geworden.
Alle sprachen durcheinander.
Sie waren zwar überglücklich, dass die Befreiungsaktion geklappt
hatte, aber entsetzt, als sie bemerkten, dass sich Onisha noch in Sobeks Gewalt
befand.
»Wir müssen sie befreien!«, schrie Fleur aufgeregt.
»Fragt sich nur, wie. Das Schwein wird sie als Faustpfand sicher
unter Verschluss halten«, hielt ihr Ben entgegen.
Valentin nickte. »Er nimmt sicher an, dass wir sie befreien.«
»Was heißt hier, er nimmt an? Wir befreien sie doch auch! Oder
hast du etwa vor sie im Stich zu lassen?«, empörte sich Fleur.
»Natürlich nicht.« Valentin schüttelte den Kopf.
»Und wie wollen wir sie befreien?« Twinky leckte eine tiefe
Fleischwunde, die ihr ein Krokodilmann zugefügt hatte.
»Wir müssen den überirdischen Mondpavian suchen. Er allein kann
uns im Kampf gegen die Krokodilmänner helfen. Er war es auch, der den Göttern
Geist einflößte. Und wir haben keine Zeit, Kräfte zu sammeln. Leider ... aber
wir wissen nicht, wie lange Sobek Onisha am Leben lässt. Daher ist Eile
geboten.« Valentin gab den Katzen ein Zeichen und sie folgten ihm, ohne weiter
zu fragen oder gar zu widersprechen.
Sie schleppten sich wieder bis in den Wald hinein, wo sie auf
Senep und sein Zapfenhaus gestoßen waren. Valentin eilte stumm voraus, dicht
gefolgt von Ben. Ab und zu führten sie einen kurzen Wortwechsel und hasteten
weiter.
Die Katzen klebten an ihnen wie stumme Schatten.
Fleur fragte sich die ganze Zeit, was oder wer der überirdische
Mondpavian sein sollte, und in ihrer Fantasie entstand ein Geschöpf von wilder
Schönheit und beeindruckender Fremdartigkeit, das mit jedem Schritt wundervoller
wurde.
Als sie in der Nacht eine Lichtung erreichten und auf eine
Ansammlung großer Steine zugingen, hätte Fleur niemals gedacht, bald ihrem
Fantasiegebilde gegenüberzustehen. Ihre Enttäuschung war grenzenlos, als sie
vor einer der steinernen Gestalten Halt machten. Das sollte Onishas Retter
sein, von
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