Das Reich der Katzen (German Edition)
Akrobat
verlorengegangen.«
Fleur ließ den Pavian nicht aus den Augen. »Wie heißt du
eigentlich?«, wollte sie wissen.
»Gute Frage«, stimmte Ben ihr zu.
Fleur warf ihm einen Blick zu, der so viel wie »Willkommen zurück
im Team« bedeuten mochte. Dann musterte sie wieder den Affen. »Bekomme ich
heute noch eine Antwort?«
»Wie war doch gleich deine Frage?«, schnarrte das rotbraune
Kerlchen listig.
Du weißt ganz genau, was ich gefragt habe, dachte Fleur
ärgerlich, zwang sich aber zu einem hinreißenden Lächeln.
»Wie du heißt, möchte ich wissen«, flötete sie.
Oho, dachte Twinky, heute tragen wir aber besonders dick auf.
Der Affe setzte sich auf sein signalrotes Hinterteil. »Pavian«,
sagte er und bleckte grinsend die Zähne, schüttelte den Kopf und gackerte wie
ein Lausbub.
»Wie einfallslos.«
Pavian sah Twinky an und deutete dann auf Blackbird. »Sein Name
ist auch nicht einfallsreicher.«
Twinky kicherte. »Stimmt!« Pavian gefiel ihr. Auf den Mund
gefallen war er jedenfalls nicht.
»Vorsicht!«, krächzte Blackbird. »Ich bin nicht so friedlich, wie
ich aussehe. Ich kann auch anders.«
Pavian kreischte schrill. Er amüsierte sich köstlich. »Huuuu, mir
schwindelt schon vor Angst.«
»Schluss jetzt«, donnerte Ben. »Onisha schwebt in Lebensgefahr
und ihr albert hier herum.« Er sah den Affen streng an. »Wenn du weißt, wo wir
die Baumgöttin finden können, mach den Mund auf! «
Valentin verdrehte die Augen, weil Ben so respektlos mit Pavian
sprach.
Der kratzte sich gelassen hinter dem Ohr. »Natürlich weiß ich
das. Wir müssen immer da lang.« Er deutete mit der Hand geradeaus.
Sie folgten Pavians Hinweis. Gingen immer der Nase nach. Der Wald
sah ziemlich eintönig aus. So sehr, dass die Katzen schon bald das Gefühl
hatten, im Kreis zu laufen. Bis sich endlich die Baumreihen immer mehr
lichteten.
»Nicht schon wieder über die trockene Steppe«, stöhnte Lucky, als
sie die letzte Baumreihe erreichten.
»Keine Panik«, gackerte Pavian. »Dort ist es schon!«
Inmitten der letzten Baumreihe, auf den ersten Blick nicht
erkennbar, stand ein Baum mit silbrigen Blättern. Aus der Mitte des Stammes
wuchs die Gestalt der Göttin, die mit einer Hand kühles, erfrischendes Wasser
aus einem Gefäß spendete, das neue Körper- und Geisteskräfte verlieh. Es sah
wie eine gewöhnliche Quelle aus. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie einem
Baum entsprang.
Die Katzen rannten auf den Baum zu, aber Pavian war schneller.
Der Affe überholte sie und klatschte wie ein kleines Kind in die Hände.
Die Baumgöttin lachte hell auf, als sie den Affen sah. Sie war
noch sehr jung, hatte langes, blondes Haar und trug ein weißes, wallendes
Gewand. Aus der Nähe betrachtet sahen die Katzen, dass die Göttin den gesamten
Stamm des Baumes ausmachte.
»Ich grüße euch, Reisende«, rief sie fröhlich. »Wohin des Weges?«
»In die Stadt der Krokodile«, antwortete Ben düster.
Ein Schatten huschte über das Gesicht der Baumgöttin. »Ich habe
es schon gehört. Die Vögel haben es mir gezwitschert.« Sie lächelte traurig.
»Ihr müsst euch beeilen. Das Jahresfest der Krokodile findet in zwei Nächten
statt. Und dann wird Sobek eure Freundin opfern.«
»In zwei Nächten?«, fragte Ben und betonte dabei jedes einzelne
Wort.
Die Baumgöttin nickte. Dann schüttelte sie ihre Arme aus Zweigen
und warf einige azurfarbenen Eierfrüchte vor die Pfoten der Katzen. »Da ihr
keine Behälter habt, nehmt die Früchte. Auch sie enthalten das Heilige Wasser.«
Ben schnüffelte daran. »Und was sollen wir damit?«
Pavian klaubte sich eine der Früchte vom Boden. »Na, essen und
trinken, du Dummkopf«, grölte er.
Ben schüttelte den Kopf. »Das scheint hier für dich alles eine
große Show zu sein«, schrie er plötzlich erbost. »Aber für uns ist es ernst.
Eine von uns schwebt in Lebensgefahr! «
Am liebsten hätte er sich auf den Affen gestürzt.
Aber Blackbird hielt ihn zurück. »Er meint es nicht so. Das ist
eben seine Art.«
»Dann ist es eine bescheuerte Art«, brummte Ben grimmig.
»Stell dich nicht so an«, fuhr Twinky dazwischen. »Ich finde den
Kerl witzig.«
»Dir war Onisha sowieso nie sympathisch. Weil Ben ein Auge auf
sie geworfen hat«, rief Fleur aufgebracht. »So bist du sie auf elegante Art und
Weise los.«
Ehe sie sich versahen, steckten sie mitten im dicksten Streit,
den Valentin rasch wieder schlichtete. Ernst erinnerte er sie daran, warum sie
die Baumgöttin gesucht hatten
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