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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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haben viel zusammen erlebt«, antwortete sie daher ausweichend.
    »Ragnar hat mir von eurer gemeinsamen Suche erzählt«, fuhr Aravyn mit einem leichten Lächeln und ohne eine Spur von Eifersucht fort. »Eure Welt ist verwirrend für mich, aber die Geschichten haben mich neugierig gemacht. Während unserer gemeinsamen Ausbildung in Schwertkampf, Bogenschießen und in der Kunst, die Geister Elvancors zu rufen, habe ich ihn immer wieder danach gefragt, wie es jenseits der Schwelle war. Ich glaube, manchmal wurden ihm meine Fragen zu viel«, lachte sie mit glockenheller Stimme. »Häufig hat er von dir gesprochen und sich Sorgen um dich gemacht. Selbst die Beteuerungen seiner Großeltern, es würde kaum ein Tag bei euch vergangen sein, mochte er nicht so recht glauben.« Aravyn seufzte tief. »Zunächst war er so glücklich, hier in Elvancor zu sein. Aber nach und nach ergriff eine große Unruhe von ihm Besitz, die ich mir nicht erklären kann. Vielleicht liegt es an der Furcht, die ihm einige Tuavinn entgegenbringen, denn seine Fähigkeit, auch jenseits der Kraftpunkte einen Pfad über die Weltenschwelle zu öffnen, verunsichert manche. Auch für mich ist das unglaublich.«
    Lena nickte bedächtig, glaubte zu erahnen, wie beängstigend das für die Tuavinn sein musste. »Bist du auf Ragnar getroffen, gleich nachdem er hierherkam?«
    »Ja«, bestätigte Aravyn mit verträumter Stimme, während sie in die Glut blickte. »Wir haben uns sofort ineinander verliebt.«
    Bei jedem Wort schnürte es Lena die Kehle zu. Dennoch wunderte sie sich über das, was Aravyn nun sagte.
    »Zunächst war ich sogar eifersüchtig auf dich«, gab die Tuavinn zu.
    »Auf mich?«
    »Ja, Ragnar und du, ihr habt so viel miteinander erlebt, und manchmal wurde er ganz wehmütig, weil du nicht hier warst.«
    »Ach wirklich?«, brachte Lena mühsam hervor, betrachtete die junge Frau jedoch neugierig von der Seite.
    »Er war so glücklich, als Maredd dich hierherbrachte.« Jetzt nahm Aravyn auch noch Lenas Hand und lächelte sie offen und freundlich an – eine Geste, die sie gänzlich verwirrte. »Ragnar meinte sogar, jetzt, da seine Freundin von jenseits der Schwelle bei ihm sei, sei sein Glück perfekt.«
    Für einen Moment schwieg Aravyn, und Lena wurde es unter dem plötzlich sehr intensiven Blick der Tuavinn unbehaglich zumute. »Eigentlich sollte ich auch heute noch eifersüchtig auf dich sein, Lena. Dich und Ragnar verbinden eure gemeinsamen Erlebnisse in der anderen Welt, die ich mir nicht einmal in meinen Träumen vorstellen kann. Und ich spüre, dass deine Gefühle für Ragnar sehr tief gehen.«
    »Nein, da liegst du falsch, Ragnar und ich sind nur …«, begann Lena, doch Aravyn hob die Hand.
    »Ich hege dir gegenüber keinen Groll, und das ist etwas, das mich am meisten verwirrt. Im Gegenteil, ich freue mich sogar, dass du hier bist.«
    Lena schluckte schwer und schwieg. Sie selbst war sehr wohl eifersüchtig auf die Tuavinn gewesen, hatte sie um ihre Schönheit und diese unvergleichliche Anmut beneidet. Doch nun, da Aravyn so offen mit ihr sprach, war all das gegenstandslos, es war geradezu, als wolle man jemanden schlagen, der sich plötzlich in Luft auflöst, während man ausholt.
    Lena zwang sich zu lächeln, war aber vollends verblüfft, als Aravyn sie ganz unvermittelt umarmte. »Wir werden Ragnar bald wieder sehen. Sicher gibt er auf sich acht.«
    Sosehr sich Lena dagegen wehrte, diese Geste spendete ihr sogar einen gewissen Trost. Sie beide fühlten sich Ragnar verbunden, hatten Angst um ihn, und wahrscheinlich war es das, was sie miteinander verband.
    In dieser Nacht unterhielten sie sich noch lange. Lena erzählte von Arihan, den Aravyn nur aus den Legenden ihres Volkes kannte.
    »Der Morgen graut, wir sollten noch ein wenig schlafen«, schlug Aravyn irgendwann vor, erhob sich und verließ den Raum.
    Lena sank müde auf die Felle, dachte viel über Aravyn, Ragnar und vor allem Kian nach.
    Wie ein weißer Mantel hatten Schnee und Eis die Natur überzogen und, wie es schien, auch zum Stillstand gebracht.
    So wie die Bergwelt in eisiger Kälte erstarrt war, fühlte sich Ragnar in seinem Inneren. Er wusste nicht, wie er handeln sollte, und war auch nicht imstande, Entscheidungen zu treffen. Auf der einen Seite waren da Aravyn, seine Großeltern, Lena und die anderen Freunde, die ihm nahestanden und die er schützen wollte. Auf der anderen Seite jedoch wartete sein Vater, den der Lauf des Lebens zu einem Rodhakan gemacht hatte und der

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