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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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ließ seine Augen über das Land schweifen. Elvancor war groß, faszinierte ihn noch immer, und auch wenn viele Menschen den Tuavinn – für ihn unverständlicherweise – feindlich gesinnt waren, so liebte er die Heimat seiner Vorfahren nun beinahe schon mehr, als es bei der Welt der Fall gewesen war, in der er geboren worden – und gestorben – war.
    Nachdenklich fuhren seine Finger über den lederumwickelten Griff seines schlanken Schwertes. Vielleicht hatte der Krieger schon früher in ihm geschlummert. Schließlich war er von Mittelalterveranstaltungen und Kampfsport von jeher begeistert gewesen. So vieles, was er als Kind oder Jugendlicher nicht verstanden hatte, war nun nachvollziehbar und logisch. Das war etwas, was ihn sehr glücklich machte, doch andererseits …
    Ein leises Stöhnen aus Maredds Richtung riss Ragnar aus seinen Grübeleien. Der Verletzte bewegte sich, schlug langsam die Augen auf, und als Maredd ihm beruhigend eine Hand auf die Brust legte, um ihn daran zu hindern aufzustehen, kroch er furchtsam zurück.
    »Wir werden dir kein Leid antun«, versprach er.
    Doch die Augen des Kriegers suchten nach einer Fluchtmöglichkeit. Feine Linien an seinen Augenwinkeln verrieten, dass er nicht mehr ganz jung war, auch wenn das in Elvancor nicht die gleiche Bedeutung hatte wie in der anderen Welt, aus der Ragnar und Lena kamen.
    Hastig trat Ragnar vor. »Wo kommst du her?«
    Der Mann kniff die Lippen zusammen und starrte Ragnar herausfordernd an.
    »Sprich schon!«
    »Du sollst ihn nicht ängstigen.« Amelia lächelte freundlich und hielt dem Krieger eine Schale voll Wasser hin.
    Doch dieser schnaubte nur und ignorierte die Geste.
    »Ich muss aber wissen, wo Lena hingebracht wurde.« Ragnar kniete sich vor den Mann. »Aus welcher Stadt kommst du? Wo würden deine Verbündeten eine Gefangene hinbringen?«
    »Ihr könnt mich festhalten oder foltern, ich werde nichts preisgeben«, antwortete er trotzig.
    »Das werden wir ja sehen.« Ragnar packte ihn an seinem Hemd, aber sein Großvater ging dazwischen.
    »Ragnar! Mäßige dich! So wirst du nur das bestätigen, was man von uns behauptet.«
    »Und wenn schon! Wer weiß, was sie mit Lena machen«, empörte sich Ragnar.
    Voller Unruhe huschten die Augen des Menschen hin und her, er schien nicht zu wissen, was gerade vor sich ging.
    »Wir wollen dir kein Leid antun, dich weder foltern noch gefangen halten«, versicherte Maredd. »Nichts von dem, was ihr uns vorwerft, entspricht der Wahrheit. Nicht wir, die Tuavinn, sind am Erstarken der Rodhakan schuld.«
    »Pah!« Der Blonde spuckte aus. »Das behauptest du! Und selbst wenn das wahr ist – ihr wollt unseren verehrten Fürsten ihren Platz in Elvancor streitig machen.«
    »Mit dieser Aussage hast du recht«, räumte Maredd mit ruhiger Stimme ein, dann sah er dem Mann ernst in die Augen. »Euch Menschen ist es nicht dienlich, bis in alle Ewigkeit in Elvancor zu verweilen. Ihr solltet hier lernen, Erfahrungen machen, um dann mit größerer Weisheit in die Ewigkeit einzugehen, und nicht hier verharren, um euch zu bereichern und das Land nach euren Vorstellungen zu verändern.«
    Voller Verachtung zog der Mann seine Oberlippe in die Höhe. »Euch dagegen soll das vergönnt sein.«
    »Wir sind die Wächter, nur bedachten wir nicht …«
    Ruckartig kam der Mann auf die Füße, schwankte jedoch und hielt sich den Kopf. Den stützenden Arm Amelias schlug er aus.
    »Ihr wollt unsere Fürsten vernichten – und die sind von größerer Stärke und Weisheit, als ihr es jemals begreifen werdet.« Langsam und ohne seine Bewacher aus dem Blick zu lassen, bewegte sich der Mann von ihnen fort.
    Ragnar wollte ihm hinterher, wurde jedoch von seinem Großvater festgehalten. »Nicht.«
    »Aber wir müssen ihn doch befragen!« Fassungslos sah Ragnar dem Krieger nach, wie er unbehelligt davonrannte.
    »Er wird uns zu seiner Stadt führen.«
    »Und was ist, wenn er absichtlich nicht nach Hause geht, uns in die Irre leitet?« Wütend runzelte Ragnar seine Stirn, wäre dem Kerl am liebsten hinterhergerannt und hätte die Wahrheit aus ihm herausgeprügelt.
    »Er mag einen Umweg wählen«, gab Maredd zu, »doch früher oder später wird er die Richtung einschlagen, die ihn nach Hause bringt.« Der große Tuavinn seufzte tief. »Und wenn uns das Glück hold ist, wird er den Seinen berichten, dass wir ihm kein Leid angetan haben.«
    »Das bringt doch alles nichts«, schimpfte Ragnar. »Schon seit Ewigkeiten versuchst du, das Vertrauen der

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