Das Reich in der Tiefe
hatte und um ein Viertel kleiner war als die Schweiz. Mit Spannung sah er dem nächsten Unterricht entgegen.
Zu diesem brachte Rocco ein tellergroßes messingnes Rad mit, dessen Nabe von einer apfelgroßen Kugel gebildet wurde, die offenbar das Triebwerk enthielt. Ein Metallzeiger wanderte sehr langsam auf dem Radkranz. Zuerst hielt Erichsen dieses Ding für ein Meßinstrument, es stellte sieh heraus, daß es eine Uhr war. Der Radkranz wies eine zwanzigfache Teilung auf, und die Einzelabschnitte hatten je 20 Teilstriche. Klaus beobachtete den Gang des Zeigers und schätzte, daß er von Strich zu Strich etwas mehr als drei Minuten brauchte, dadurch kam er darauf, daß eine volle Zeigerumdrehung rund 24 Stunden benötigte oder einen Tag. Der Tag setzte sich aus der 8-stündigen Schlafzeit und der 16-stündigen Wachzeit zusammen, deren Anfang und Ende im ganzen Lande durch Glockenschläge verkündet wurden, welche die ewig gleichförmige Zeit der Höhle einteilten. Die Begriffe Tag, Nacht und Jahr waren längst aus dem Bewußtsein des Chetivolkes geschwunden, nicht aber aus der lebendigen Substanz dieser Menschen, der sie die Natur unverlöschbar eingeprägt hatte. Erichsen lernte nun in den nächsten Tagen sehr fleißig die Raum- und Zeitbegriffe auswendig, so daß er fast im Schlaf jede Zeitangabe von Rocco und jedes Längenmaß in die ihm geläufigen irdischen Werte umrechnen konnte. Er brachte es darin schon zur Meisterschaft, ehe er noch eine Ahnung von den sonstigen alltäglichen Dingen dieser Welt hatte.
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Es war ein geruhsames Leben, das Klaus Erichsen hier auf dem Apaxiberg führte, zusammengesetzt aus Schlaf, Essen und Studium der Sprache. Seine Genesung machte rasche Fortschritte, täglich konnte er jetzt schon die wenigen Schritte zwischen Bett und Fenster zurücklegen.
Am achten Tag seiner Anwesenheit im Turm war es zu Beginn der Schlafzeit dunkler als sonst im Zimmer, und ein Donnergrollen in der Ferne schreckte ihn auf. Er humpelte zum Fenster, sah, daß ein von Süden aufziehendes Gewitter mit dunkelroten Wolken den Himmel verfinsterte.
Heftiger Wind wehte um den Turm, und Blitze zuckten. Vom Fenster auf verfolgte er gespannt die Entwicklung des Gewitters von Blitz und Donner zu prasselndem Regen. Sonderbar, niemand hatte ihm etwas davon gesagt! Wie konnte es in einer allseits geschlossenen Höhle, und wäre sie noch so groß, zu Gewittern kommen? Er würde Rocco danach fragen.
Von rückwärts traf ihn ein Zugwind, die Tür hatte sich geöffnet. Als er sich umwendete, standen zwischen Tür und Fenster vier Gestalten in tropfnassen Übermänteln und Regenkapuzen, so vermummt, daß man kein Gesicht erkennen konnte. Klaus öffnete den Mund zu einer Frage, da stürzte sich der vorderste auf ihn und packte hart zu. Ein unerwarteter Angriff!
Die Eindringlinge versuchten ihn zu fesseln, zogen ihm eine schwarze Kappe über den Kopf. Klaus wehrte sich, so lange er konnte, doch dann wurde er überwältigt und hinausgeschleppt, treppab. Auf der Treppe spürte Erichsen, daß seine Entführer – denn um solche mußte es sich handeln – mit Gegenwehr zu tun bekamen. Getöse erhob sich, ein Läutewerk ging los, und schließlich dröhnte sogar ununterbrochen die große Mittags- und Abendglocke. Plötzlich fiel er unsanft auf Gestein, rollte ein Stück und blieb liegen, hörte einen Donnerschlag, Regen durchnäßte ihn. Nach wenigen Minuten wurde er vorsichtig aufgehoben, man durchschnitt seine Fesseln und nahm ihm die Kappe vom Kopf.
Klaus wurde gewahr, daß er sich an einem schrägen Hang befand, dorniges Gestrüpp hatte sein weiteres Abgleiten aufgehalten. Ein paar Schritte entfernt lag ein Toter, einer seiner Entführer. Ihm selbst rann das Blut aus einer Hautabschürfung am Arm und einer heftig schmerzenden Schulterverletzung.
Durch den Regen trug man ihn zum Turm, auf sein Lager. Rocco und der Arzt, beide nicht wenig erregt, mühten sich um ihn, und dieser riß mit höllisch schmerzendem Ruck einen Pfeil heraus, der noch in Klaus’ Schulter steckte, dessen Schaft abgebrochen war. Man verband ihn und gab ihm eine reichliche Dosis des roten Schlummertranks.
Als er nach langer Zeit erwachte, brannte seine Schulter von der Wundbehandlung, und Knie und Knöchel taten mehr weh als bisher. Bald tauchten Rocco und der Arzt auf. „Was war das? Was ist passiert?“ radebrechte der Kranke.
„Sechs Mann haben dich überfallen, drei von ihnen wurden getötet,
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