Das Reisebureau Thompson und Comp.
diesen Felsen und die Landung war in der Dunkelheit keineswegs leicht. So mancher glitt auch auf dem Granit aus, den die Wellen seit Jahrhunderten poliert hatten, und mehrere Passagiere nahmen ein unfreiwilliges Bad.
Trotzdem ging alles ohne ernstlichen Unfall ab, und kurz nach elf Uhr befanden sich alle Schiffbrüchigen am Lande.
Mit merkwürdiger Hast, die viel zu denken gab, wurden die Schaluppen wieder an die Barken angeseilt, und nach weniger als zehn Minuten waren diese klar und verschwanden, aufs offene Meer hinaussteuernd, bald in der Finsternis der Nacht.
Wenn da ein Geheimnis vorlag, so war hier weder die Zeit noch der Ort, seine Enthüllung zu versuchen. Die Lage der Reisenden nahm augenblicklich ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie konnten doch nicht unter freiem Himmel schlafen, und wie sollten anderseits die Kisten und Kasten, die Reisesäcke und Koffer, die am Ufer aufgehäuft lagen, weitergeschafft werden? Da mußte wieder der Kapitän Rat schaffen.
Seinem Vorschlage gemäß wurde alles Gepäck unter der Bewachung zweier Matrosen zurückgelassen, und die übrigen Schiffbrüchigen machten sich auf den Weg nach der ziemlich entfernten Stadt.
Wie verändert sah aber die glänzende Kolonne von früher aus, die Thompson mit so vollkommener Meisterschaft anzuführen verstanden hatte! Jetzt war es nur noch eine ungeordnete Herde, die niedergeschlagen, entmutigt, sich mühsam über den Weg an dieser unbekannten, mit Geröll und Steinblöcken bedeckten Küste in finstrer Nacht dahinschleppte.
Ein höchst anstrengender Marsch, selbst für die geübtesten Fußgänger. Länger als eine Stunde folgte man einem kaum gebahnten Pfade, die Füße sanken bis an die Knöchel in den tiefen, weichen Sand ein, und Mitternacht war längst vorüber, als die Touristen, am Ende ihrer Kräfte, endlich Häuser erblickten, wo sie Unterkommen zu finden hofften.
Die ganze Stadt lag im Schlafe. Nicht ein Mensch auf den Straßen, kein Licht zu sehen. Inmitten dieser finstern Einöde, in der eine Grabesruhe herrschte, ausreichende Unterkunft für so viele Personen zu finden, das war wahrlich keine so leichte Aufgabe. Man beschloß deshalb, sich in drei Gruppen zu teilen. Die eine, unter Führung des Kapitäns, umfaßte die Mannschaft des untergegangenen Fahrzeuges, zur zweiten, die Thompson führte, gehörte unter andern natürlich Baker, die dritte endlich vertraute sich dem Sprachenkenner Morgan an.
Die letztern wenigstens, der sich auch Roger und die beiden Amerikanerinnen angeschlossen hatten, hatten keine Schwierigkeit, ein Gasthaus zu entdecken. In wenigen Minuten hatte Morgan ein solches aufgespürt. Hier klopfte er so stark an die Haustür, daß auch der hartnäckigste Schläfer davon erwachen mußte. Als der notdürftig bekleidete Wirt seine Tür ein wenig geöffnet hatte, schien er über den Anblick so vieler Gäste nicht wenig erstaunt.
»Können Sie uns Zimmer anweisen? fragte Morgan.
– Zimmer? wiederholte der Gastwirt, als ob er träumte. Aber wo zum Teufel kommen Sie denn jetzt her? rief er heftig, ehe er eine Antwort auf Morgans Frage gab. Wie sind Sie denn hierher gekommen?
– Wie man gewöhnlich ankommt, denke ich, zu Schiffe, sagte Morgan ungeduldig.
– Zu Schiffe! wiederholte der Portugiese, der sich vor Erstaunen gar nicht mehr zu fassen wußte.
– Ja freilich zu Schiffe, versicherte Morgan herausfordernd. Was ist da so Außergewöhnliches dabei?
– Zu Schiffe! rief der Gastwirt nochmals. Die Quarantäne ist ja noch nicht aufgehoben.
– Welche Quarantäne?
– O, heiliger Himmel, die über unsre Insel. Seit einem Monat ist hier kein Schiff eingelaufen.«
Die Landung war in der Dunkelheit keineswegs leicht. (S. 399.)
Jetzt war Morgan an der Reihe, zu erstaunen.
»Was ist denn hier los? Was ist die Ursache dieser Quarantäne? fragte er.
– Eine heftige Epidemie eines perniziösen Fiebers.
– Das gefährlich ist?
– Das will ich meinen. In der Stadt allein sterben jeden Tag daran zwanzig Personen, und das auf eine Einwohnerzahl von viertausend.
– Alle Wetter! rief Morgan, da muß ich gestehen, keine glänzende Idee gehabt zu haben, als ich den Rat gab, hierher zu gehen. Zum Glück werden wir ja nicht lange hier bleiben.
– Nicht lange? erwiderte der Gastwirt.
– Gewiß, nicht lange!«
Der Portugiese schüttelte den Kopf in wenig beruhigender Weise.
»Für den Augenblick, sagte er ironisch, werde ich Ihnen Zimmer anweisen; ich glaube nur, Sie werden diese so bald
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