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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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Morgans einwiegte und gleichzeitig das lustige Geplauder Rogers und Dollys begleitete. Diese beiden waren in jedem Falle von melancholischen Anwandlungen verschont geblieben. Kein Unfall, ebensowenig wie der Untergang der »Seamew« oder die gegenwärtige Quarantäne, hatte ihre Heiterkeit zu dämpfen vermocht.
    »Was meinen Sie denn, erklärte Roger wiederholt, die Geschichte amüsiert mich, ja mich, Kapverdier – welch famoser Name! – zu sein. Miß Dolly und ich, wir gewöhnen uns schon an den Gedanken, auch noch zu Negern zu werden.
    – Aber das Fieber? warf Alice ein.
    – Welche Aufschneiderei! gab Roger zurück.
    – Und der Ablauf Ihres Urlaubes?
    – Höhere Gewalt, antwortete der Offizier.
    – Doch Ihre Familie, die Sie in Frankreich zurückerwartet?
    – Meine Familie? Ich habe meine Familie hier!«
    Im Grunde war Roger jedoch sicherlich weniger ruhig, als er es scheinen wollte. Wie hätte er auch nicht ängstlich an die Gefahr denken sollen, der seine Begleiterinnen und er selbst jeden Tag in diesem verpesteten Lande und in dieser Stadt mit ihrer dezimierten Bevölkerung ausgesetzt waren? Er gehörte aber zu den glücklichen Naturen, die es vermeiden, sich die Gegenwart durch die Furcht vor der Zukunft zu verderben. Das Leben hier entbehrte ja in seinen Augen nicht eines gewissen Reizes. In São-Thiago hätte es ihm trotz allem gefallen, wenn er da nur in dem traulichen Verhältnis zu Dolly wie bisher weiterleben konnte. Zwischen den beiden war zwar das entscheidende Wort noch nicht gefallen, sie waren aber einander sicher. Ohne es je ausgesprochen zu haben, sahen sie sich als Verlobte an.
    Auch ihr gegenseitiges Verhalten hatte nichts Geheimnisvolles an sich. Man konnte in ihrer Seele wie in einem Buche lesen, und niemand konnten die Gefühle unbemerkt geblieben sein, die die beiden einander zu offenbaren für überflüssig gefunden hatten.
    Mrs. Lindsay, eine mehr als die andern hieran interessierte Zuschauerin, schien sich wegen dieser Lage der Dinge keine besondern Gedanken zu machen. Sie gestattete ihrer Schwester dieselbe amerikanische Freiheit, der sie selbst sich, vorzüglich als junges Mädchen, gerne erfreut hatte und der sie ihr – leider kurzes – Eheglück verdankt hatte. Sie vertraute der offenherzigen und jungfräulichen Natur Dollys, und Roger gehörte zu den Männern, die, ebenso sicher wie sie atmeten, Vertrauen einflößten. Alice ließ der Idylle also ihren Lauf, überzeugt, daß sie, wie der logische und vorherzusehende Ausgang einer einfachen Erzählung, mit einer Heirat enden würde.
    Ach, wenn in ihrer Seele doch dieselbe ruhige Zuversicht gewohnt hätte! Zwischen ihr und Robert Morgan dauerte das etwas merkwürdige Mißverständnis noch immer fort. Eine falsche Scham ließ die Worte auf ihren Lippen erstarren, und je mehr die Zeit verging, desto mehr entfernten sich beide von einer bestimmten, freimütigen Erklärung, die ihnen doch allein den Frieden des Herzens wiedergeben konnte.
    Auch ihr gegenseitiges äußerliches Verhältnis litt unter dieser moralischen Unruhe. Sie flohen vor einander nur nicht, weil ihnen das kaum möglich war. Doch wenn sie sich durch eine unbezwingliche Gewalt zueinander hingezogen fühlten, so empfanden sie, sobald sie sich Auge in Auge gegenüberstanden, es doch deutlich, daß sich zwischen ihnen eine Schranke erhob, die der edle Stolz des einen und ein bedrückendes Mißtrauen des andern errichtet hatte. Ihre Herzen krampften sich dabei zusammen, und sie wechselten nur kalte Worte aus, die das traurige Quiproquo weiterbestehen ließen.
    Roger stand diesem heimlichen Kriege entmutigt gegenüber. Er hatte sich die Folgen von dem Tête-à-tête auf dem Gipfel des Teyde ganz anders vorgestellt. Warum hatten sie da einander nicht auf einmal und für immer das Herz ausgeschüttet, wo sie doch so nahe daran gewesen sein mußten, und das umgeben von einer Natur, deren Großartigkeit im Verhältnis zu dem, was sie bedrückte, doch die sentimentale Schamhaftigkeit der einen ebenso wie den krankhaften Stolz des andern hätte besiegen müssen? Alle diese Schwierigkeiten, die er für etwas kindisch hielt, konnte der Offizier bei seiner geraden Natur nicht anerkennen, er, der auch als König eine Bettlerin und als Bettler eine Königin geliebt hätte, ohne das zu verschweigen.
    Nach weitern acht Tagen dieses stillen und unentschiedenen Streites erschien ihm das Schauspiel ganz unerträglich, und er beschloß, dem mit einem Schlage ein Ende zu machen. Unter

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