Das Reliquiar
stolz darauf sein, dass Manfredi entschieden hat, sich den Kreuzfahrern anzuschließen. Das würde ich ebenfalls tun, wenn ich ein Mann wäre.«
Iolanda durchbohrte sie mit Blicken. »Dann danke ich Gott, dass du eine Frau bist!«
Elisa lächelte nur.
»Erst verliert er sich in dem Wahnsinn in Hinsicht auf das Kreuz, und dann gibt er alles auf und wird zum Kreuzfahrer!«, fuhr Iolanda fort. »Habe ich nicht Recht, wenn ich sage, dass er den Verstand verloren hat? Es werden Jahre vergehen, bis er zurückkehrt, falls er überhaupt am Leben bleibt und nicht erkrankt wie sein Vater. Und wenn er als Krüppel heimkehrt? Ach, er sollte an seine Familie denken!«
»Seid nicht zu streng mit Manfredi, Mutter. Eigentlich brauchen wir ihn gar nicht. Der Vasall versteht es, unsere Ländereien klug zu verwalten, und ich kann auf eine beträchtliche Mitgift zählen, wenn ich irgendwann heiraten sollte.« Elisa ergriff die Hände ihrer Mutter. »Ich verstehe Eure Besorgnis und kann sie nachempfinden, aber wir müssen stark sein und beten, dass Manfredi wohlbehalten heimkehrt. Tadelt ihn nicht, weil er für den Glauben und seine Ideale kämpfen will. Seid stolz auf ihn, so wie auch mein Vater stolz auf ihn gewesen wäre.«
Iolanda sah sie an, die Augen voller Tränen, und verließ den Salon ohne ein weiteres Wort, um am Sarkophag ihres Mannes zu beten.
Tarquinia, 9. November 2006
»Das ist die richtige Website«, sagte Elena. »Hier finden wir den Stammbaum der Familie Brandanti und hoffentlich auch einige zusätzliche Informationen über Beatrice. Leider habe ich bisher keinen Computer zur Verfügung gehabt; sonst hätte ich diese Nachforschungen schon längst angestellt.«
Nach der Hypnosesitzung vom Vormittag hatte Elena beschlossen, mehr über Beatrice herauszufinden. Enzos Computer war nicht kennwortgeschützt, und die Verbindung mit dem Internet war problemlos möglich gewesen.
»Ein Computer ist gar nicht nötig«, sagte Nicholas. »Du brauchst nur in Beatrices Rolle zu schlüpfen, um mehr über sie zu erfahren.«
Elena antwortete nicht und war ganz auf den Monitor konzentriert. »Ah, da haben wir’s.« Rasch ging sie den Stammbaum durch und fand Beatrice. Tochter von Oliviero Brandanti und Laura Dorigo, verheiratet mit Urbano, Sohn von Enrico Brandanti Malaterra und Caterina Farnese.Von ihm bekam sie vier Kinder: Mainardo, Ortensia, Ursula und Rolando.
»Waren sie wirklich alle von Urbano?«, fragte Nicholas.
»Keine Ahnung. Ich schätze, wir werden es bei den nächsten Sitzungen herausfinden.«
Als Elena auf den Namen »Beatrice« klickte, öffnete sich eine biographische Seite: Nach dem Tod des Ehemanns hatte die Gräfin nicht wieder geheiratet, war viel
giern und zwielichtigen Gestalten begegnet, was ihr einen schlechten Ruf eingebracht hatte. Schließlich war sie vor ein Gericht der Inquisition gestellt und als Hexe zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden. Doch Beatrice hatte fliehen können, in Byzanz Zuflucht gefunden und sich dort vermutlich in ein Kloster zurückgezogen. Das Todesdatum war unbekannt.
Elena klickte auf einige weitere Links und setzte ihre Nachforschungen eine Zeit lang fort, ohne dass sich sonst noch etwas ergab.
»Ich hatte mir mehr erhofft«, sagte sie schließlich. »Es ist wirklich schade, dass die Unterlagen über Beatrice verschwunden sind.«
»Wer weiß, was aus ihnen geworden ist, wenn die erste Frau deines Großvaters sie gestohlen hat.Vielleicht sind die Dokumente während des Krieges verbrannt oder verloren gegangen.«
Elena fuhr den Computer herunter und schaltete ihn aus. »Auszuschließen ist das nicht.Aber ich glaube, dass sie irgendwo versteckt sind, wahrscheinlich in Deutschland, wo noch jemand versucht, dem Rätsel um das Kreuz von Byzanz auf den Grund zu gehen.«
»Aber sosehr er sich auch bemüht – wir haben ihm gegenüber einen wichtigen Vorteil«, sagte Nicholas und lächelte.
»Genau.« Elena nickte. »Und wir sollten ihn nutzen. Beginnen wir mit einer weiteren Hypnosesitzung.«
17
Schloss Sandriano, 9. November 2006
Guido Valente sah Marta erstaunt an. »Sie haben mit Signorina Brandanti gesprochen?«
Marta erwiderte den Blick gelassen. »Ja, sie hat angerufen und mir mitgeteilt, dass es ihr gut geht und wir uns keine Sorgen machen sollen. Die Signorina und ihr Freund bleiben eine Zeit lang weg.«
»Erscheint es Ihnen nicht seltsam, dass sie nicht zum Schloss zurückkehren will?«
»Wenn die Komtess so entschieden hat, wird sie gewiss ihre
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