Das Reliquiar
zu bringen. Und das macht mir Sorgen.«
Villa Malaspina, 11. November 2006
Es war längst Tag, als sich die Tür des Kellers öffnete und Glauco eine Pistole auf Elena und Nicholas richtete. »Kommt mit. Der Meister will euch sehen.«
Sie hatten versucht, auf dem kalten Boden zu schlafen, und mit schmerzenden Gliedern standen sie nun auf. Glauco führte sie in ein Esszimmer, wo der Tisch fürs Frühstück gedeckt war. »Nehmt Platz, und esst etwas«, sagte Enzo und deutete auf die Stühle vor ihm. »Vermutlich habt ihr keine sehr angenehme Nacht verbracht, aber hoffentlich hat sie euch Gelegenheit gegeben, gründlich nachzudenken. Ich würde lieber darauf verzichten, euch erneut einzusperren, aber ich tue es, wenn ihr keine Vernunft annehmt.«
Elena und Nicholas hatten lange darüber gesprochen und waren zu dem Schluss gelangt, dass sie sich nur schadeten, wenn sie auf stur schalteten. Zweifellos hatte Enzo alles gut vorbereitet und ihre Spuren verwischt. Es konnten Wochen oder sogar Monate vergehen, bis jemand sie fand.
»Wir sind bereit, alle Fragen zu beantworten«, sagte Elena.
Enzo lächelte. »Gut.«
»Warum nennt man dich Meister?«, wollte Elena wissen und nahm eine Toastscheibe. Es konnte bestimmt nicht schaden, mehr über ihren Widersacher herauszufinden, und hinzu kam: Elena wusste um Enzos Eitelkeit; der Möglichkeit, sich ein wenig aufzuspielen, würde er bestimmt nicht widerstehen.
»Weil ich diesen Titel trage. Ich bin der Großmeister der Bruderschaft des Heiligen Kreuzes, eines Ordens, den der Marchese Erasmus von Volterra im 16. Jahrhundert gründete. Er war Alchemist und ein genialer Gelehrter, aber leider wurde er der Hexerei bezichtigt und von der Inquisition zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Allerdings wurde die Strafe nicht vollzogen – offenbar gelang ihm mithilfe einiger seiner Anhänger die Flucht.Was aus ihm wurde, ist unbekannt, doch der von ihm gegründete Orden hat bis in die heutige Zeit überdauert und nie aufgehört, nach dem Kreuz von Byzanz zu suchen. Wenn ich es gefunden habe, leihe ich es für einige Zeit dem Projekt Leben, die es mir anschließend zurückgeben, damit ich es wie von Erasmus vorgesehen hüten kann.«
Elena seufzte. »Ich weiß nicht, wo es versteckt ist. Falls es überhaupt noch existiert. Du glaubst, dass ich durch meine Vorfahrin Beatrice herausfinden kann, wo sich die Reliquie befindet. Aber das ist nur eine Annahme, weiter nichts.«
»Ihr hättet wohl kaum solchen Eifer gezeigt, wenn ihr nicht davon überzeugt wärt, durch Beatrice das Kreuz
finden zu können. Als du mir an jenem Abend im Restaurant von dem Hypnoseexperiment erzählt hast... Da wusste ich, dass meine Suche kurz vor dem Ziel stand und du mir sagen würdest, wo ich die Reliquie finden kann.«
»Deshalb hast du mich ermutigt, die Experimente fortzusetzen. Sehr schlau von dir.«
»Aber es ist vor allem dein Verdienst, meine Liebe. Ich wusste, dass ich dir nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben musste – den Rest konnte ich deiner Neugier überlassen. Ich kenne dich gut. Die Risiken der hypnotischen Regression hätten dich nicht abgeschreckt. Du bist meine Schülerin gewesen; ich habe in dir den Wunsch geweckt, alle Aspekte der Geschichte kennenzulernen, auch die verborgensten und geheimnisvollsten. Es spielte keine Rolle, ob du an die Reinkarnation glaubst oder nicht; allein auf deine unersättliche Neugier kam es an. Und dann war da noch das Bild von Jacopo Castelli, Beatrices Geliebtem. Ich habe Gaia gebeten, dich zur Ausstellung einzuladen, mit der Bitte, dir nichts davon zu sagen. Ich habe behauptet, du hättest eine unglückliche Liebesgeschichte hinter dir und bräuchtest etwas, das dich ablenkt.« Enzo warf Nicholas einen Blick zu. »Schluss mit dem Gerede. Kommen wir zur Sache – das Arbeitszimmer ist bereit.«
Elena sah zum Butler und zu Stefano Monti. »Ich will nicht, dass sie dabei sind.«
»Keine Sorge«, sagte Enzo. »Nur ich leiste dir Gesellschaft.«
»Es könnte eine Weile dauern. Überlass es Nicholas, die Regression zu steuern; misch dich nicht ein.«
»Einverstanden.Vorausgesetzt, ihr versucht nicht, mir etwas vorzumachen.«
Elena musterte ihn verächtlich. »Wie sollte ich dir etwas vormachen, einem Meister der Kosmischen Bruderschaft oder wie auch immer und deinen bewaffneten Handlangern, die nicht zögern würden, auf uns zu schießen? So etwas käme mir nie in den Sinn.«
Elena konnte sich nicht entspannen.
Enzo saß zwar
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