Das Reliquiar
bemerkten. Es hielt direkt auf die Santa Sofia zu.
Die Galeere wurde regelrecht in die Zange genommen.
Das erste Schiff ging längsseits, und es kam zu einer Kollision, bei der die Ruder brachen. Türkische Hände warfen Enterhaken, als das zweite Schiff auf der anderen Seite gegen die Bordwand der Galeere stieß. Die Wucht des Aufpralls war enorm, und nur wenige Sekunden später sprang eine brüllende Horde aufs Oberdeck der Santa Sofia .
Mitten im Kampfgewühl versuchte Oliviero, die Position zu halten, die seine Männer und er einnahmen, aber es war klar, dass die Ritter schwereVerluste erlitten. Nach kurzer Zeit fielen auch Kapitän Colonna und seine Offiziere den Säbeln des Gegners zum Opfer, der sich dem Sieg nahe sah und seine Anstrengungen verdoppelte, um auch den letzten Widerstand zu brechen.
Oliviero und seine Gefährten konnten der Übermacht nicht länger standhalten.
An der Seite verletzt, fiel der junge Mann aufs Deck und blieb in einer Blutlache liegen. Bevor ihn die Dunkelheit verschlang, sah er noch ein letztes Mal die Fahne des Johanniterordens am Mast der Galeere.
Kommissariat von Sandriano, 12. November 2006
Nichts begeisterte Leda Marini mehr als die stumme Herausforderung eines angeblich perfekt gesicherten Computers. Um die Maschine zu besiegen, war sie fähig, achtundvierzig Stunden durchzuarbeiten, wenn es genug Kaffee gab, und jeden zum Teufel zu jagen, der sie störte. Diesmal war die Herausforderung noch größer als sonst,
aber Leda hatte erneut triumphiert und Guido Valente angerufen, der sofort zu ihr in das kleine Zimmer gekommen war.
»Hast dir aber Zeit gelassen«, scherzte er.
»Sag das deinem ›Experten‹, der keinen Schritt weitergekommen ist. Ziemlich interessant, nicht wahr?«
»Interessant und unheilvoll. Und völlig unerwartet. Ich schätze, jetzt werde ich mir Gehör verschaffen können.« Valente drehte sich um und lächelte. »Bitte mach mir zwei Kopien davon.«
»Schon geschehen«, sagte Leda und gab ihm zwei CDs.
»Störe ich?«, fragte Guido und betrat das Büro der Polizeipräsidentin.
Claudia Roldani hob kurz den Blick von den Dokumenten, die vor ihr auf dem Schreibtisch lagen. »Der Moment ist nicht günstig,Valente.«
»Bitte sehen Sie sich dies hier an«, erwiderte er und reichte ihr eine CD.
»Wenn das einer Ihrer genialen Einfälle ist...«
»Ich denke, Sie werden den Inhalt recht interessant finden«, sagte Guido ruhig.
»Na schön.« Roldani seufzte und schob die CD in den Player.
Guido setzte sich und wartete. Kurze Zeit später zeigte sich Verblüffung im Gesicht der Polizeipräsidentin. »Wo haben Sie das gefunden?«
»Im Computer von Saverio Vannelli. Leda hat den Code geknackt und mir die Dateien zugänglich gemacht. Ich glaube, jetzt haben wir ein Motiv für den Mord.«
Claudia Roldani las weiter den Text auf dem Schirm und murmelte schließlich: »Ich muss zugeben, dass Sie Recht hatten und es falsch von mir war, Ihnen den Fall wegzunehmen.«
»Kann ich die Ermittlungen also fortsetzen?«
»Ja. Ich sorge dafür, dass Sie noch heute einen Durchsuchungsbefehl bekommen, der es Ihnen ermöglicht, sich alle Wohnungen von Professor Lovati anzusehen. Der natürlich so schnell wie möglich gefunden und vernommen werden muss.«
Guido stand auf. »Und die von Odelbergs?«
»Darum wird sich die deutsche Polizei kümmern müssen. Ich setze Interpol von unseren Entdeckungen in Kenntnis, was Sie in die Lage versetzen sollte, weitere Nachforschungen anzustellen. Gibt es Neues über die Personen, die Sie suchen?«
»Nein. Elena Brandanti und Nicholas Lamont sind spurlos verschwunden.«
»Also los,Valente.Vielleicht kann Lovati uns sagen, wo sie sind.«
Wewelsburg, 12. November 2006
Als Elena die Augen öffnete, sah sie als Erstes den gemusterten goldenen Stoff des Baldachins über dem riesigen Bett. Für einen Augenblick glaubte sie zu träumen. Dann erinnerte sie sich an die Schießerei bei der alten Landebahn, an Glauco und Stefano, die zu Boden sanken, an die Männer in Schwarz, die auf sie zuliefen, und an den schmerzhaften elektrischen Schlag. Dann an nichts mehr. Was war mit Nicholas? Vermutlich hatte man ihn zusammen
mit ihr fortgebracht, und vielleicht erwachte er in diesem Moment in einem anderen Zimmer.
Wo befand sie sich? Elena eilte zum Fenster, zog die Gardinen beiseite und sah eine dunkle Landschaft voller Nadelwälder. Sie drehte sich um und ließ den Blick durchs Zimmer wandern: groß, aber düster, eingerichtet mit
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