Das Rennen zum Mars
passiert ist?«
»Warme und feuchte Perioden? Die Bohrkerne im Ma’adim Vallis haben ein paar Millionen Jahre der Mars-Geschichte abgedeckt. Aus den Marken der Kraterwände geht hervor, daß es mindestens zwei große Seen im Gusev-Krater gegeben hat, die für lange Zeit existierten. Außerdem habe ich ein paar Schichten mit fossilen Mikroben gefunden, wie du dich erinnerst. Wenn ich also den Durchschnitt eines ungesicherten Grundwerts nehme, tritt vielleicht alle 400 Millionen Jahre eine langanhaltende Warmphase auf. Sie wird durch starken Vulkanismus eingeleitet. Dadurch entsteht nämlich das CO2, das den Planeten für eine Weile erwärmt.«
»Vierhundert Millionen Jahre sind aber eine lange Zeit, um auf eine Gelegenheit zum Baden zu warten.«
»In der Zwischenzeit gibt es noch diese Aufwallungen von Krustenwasser, die von weiß der Geier was ausgelöst werden. Von Vulkanen vielleicht. Das erhöht ihre Chancen.«
»Das hört sich schon besser an.«
»Ja, zumal die Ausgasungen mit den Mattenfragmenten wahrscheinlich in Intervallen von Monaten, höchstens Jahren stattfinden.
Falls eine Überflutung auftritt, würde die Matte das sofort ausnutzen.«
»Marc, du bist ein Genie. Ein Geologie-, Verzeihung, Aerologie-Lexikon auf zwei Beinen.«
Summend ging er davon. Ein glücklicher Geologe.
Die Sonne ging unter, und sie wußte, daß die Temperatur steil in den Minusbereich abstürzte. Die dünne Atmosphäre hatte zuwenig Masse, um die Temperaturschwankungen zu puffern. Ein Temperatursturz von zwanzig Grad binnen einer Minute war keine Seltenheit.
Dann erblickte sie den Dünenbuggy, der sich langsam durch den Sand wühlte. Freudig winkte sie Viktor durch die milchige Wand des Gewächshauses zu. Bei Sonnenuntergang kehrten alle Ausflügler zum Habitat zurück. Das war eine weitere Sicherheitsmaßnahme.
* * *
Nachdem sie geduscht hatte, wurde sie von Viktor im Schlafzimmer erwartet. Sie schälte sich aus dem Stepp-Bademantel und fläzte sich in lasziver Nacktheit aufs Bett. Der gefütterte Bademantel verbarg ihre intimen Stellen vor Raouls und Marcs Blicken. Die Jungs waren eh auf Entzug, und da mußte sie sie nicht noch anheizen.
Gleich am Anfang hatten sie und Viktor die Kabinen so aufgeteilt, daß die eine als Schlafzimmer und die andere als Büro diente. Wenn keiner von beiden Küchendienst hatte, trafen sie sich schon vor dem Abendessen, um sich gemeinsam zu entspannen.
Unzählige Medienbeiträge hatten sich über die Spannungen in einer aus einem Ehepaar und zwei Singles bestehenden Besatzung ausgelassen. Garniert wurden diese Artikel mit Spekulationen darüber, wie zwei gesunde, potente Jungs nach zwei Jahren in einem engen Habitat sich wohl fühlten, wenn hinter der dünnen Trennwand ein Pärchen eine Nummer schob. Da waren Spannungen doch vorprogrammiert?
Bisher hatte diese Annahme sich nicht bewahrheitet. Raoul und Marc ergingen sich gewiß in sexuellen Phantasien und masturbierten (sie hatte ein Pornovideo auf Raouls Computer gesehen), doch im Gemeinschaftsbereich des Habitats gaben sie sich locker und sachlich.
Im Habitat war kein Platz für Mimosen. Die Situation war damit zu vergleichen, als ob vier Leute für zwei Jahre in einem kleinen Apartment gelebt hätten. Sie hatten unbewußt die japanische Art angewandt, Privatsphäre ohne Wände zu schaffen. Sie starrten sich nicht an und drangen nur dann in den privaten Bereich der anderen ein, wenn sie dazu aufgefordert wurden.
Niemand hatte sich freilich Gedanken darüber gemacht, wie es im Hab zugehen würde, falls der Haussegen bei den Frischvermählten – so frisch war die Ehe nach über zwei Jahren, von denen sie die meiste Zeit im Weltall verbracht hatten, allerdings auch nicht mehr – einmal schiefhing. Vielleicht würden sie es auf dem halbjährigen Rückflug erfahren. Sie hätte dann noch Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen; doch fürs erste …
Viktor war schon in der Kabine, als sie hereinkam. Er summte vergnügt. Sie küßte ihn heiß und innig. »Ich hatte eine wundervolle Zeit im Labor. Und wie war dein Tag?«
»Mein Nachmittag, meinst du wohl. Hast du schon das gemeinsame Mittagessen vergessen? Im neusten Bistro auf dem Mars? Das Airbus-Cafe?«
»Ich nix vergessen, du altes russisches Bär.« Manchmal nahm sie ihn wegen seines starken russischen Akzents auf die Schippe. Allerdings hatte er sich bisher nicht darüber beklagt.
Wohlgefällig schweifte ihr Blick durch den Raum. Es fehlten nur noch ein Fernsehgerät, eine
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