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Das Rennen zum Mars

Das Rennen zum Mars

Titel: Das Rennen zum Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Hitze von Cape Canaveral erinnerten die Reporter und die großen, mit Sonnenblenden bewehrten Kameras an Marsianer aus den alten Filmen der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Und genauso behandelte Julia sie auch – als verabscheuungswürdige Objekte. Sie war es leid, sich vorführen zu lassen. Das Beste am Mars war nicht seine Erforschung, die Überwindung von Grenzen, der Vorstoß ins Unbekannte und so weiter, sondern die Aussicht auf himmlische Ruhe.
    Alle vier stellten sich hinter einem einzigen Mikrofon auf und gaben ein paar Platitüden zum besten; für das ›Filmmaterial‹, wie ein PR-Typ sich ausdrückte – dadurch wurde in den Nachrichten zwar ein Wiedererkennungs-Effekt erzielt, aber es genügte nicht, um eine Geschichte daraus zu machen. Welche Geschichte hätten die Medien auch erzählen sollen? Astronauten auf dem Weg nach oben in die Große Leere. Zum Glück mußten die Reporter und prominenten Gäste den von den Quarantänevorschriften gebotenen Abstand von sechs Metern einhalten, damit die Besatzung sich nicht etwa eine Grippe zuzog. Das wäre keine gute Voraussetzung für den Start gewesen. Noch schlimmer wäre es gewesen, wenn sie den Mars mit Viren verseucht hätten.
    * * *
    Nachdem sie erst einmal im Habitat waren und von der Bodenbesatzung auf die verstellbaren Beschleunigungsliegen geschnallt worden waren, war das Abhaken der Prüfliste nur noch Routine. Und dann begann das Warten.
    Julia hatte das alles schon einmal mitgemacht – wie die anderen auch –, und sie wußte, das Schlimmste wäre das Warten auf den Moment, in dem man die Wunderkerze unter ihr anzündete. Es war diese Phase, wo man zur Untätigkeit verurteilt war und wo man auf die abwegigsten Gedanken kam. Astronauten waren auf Action programmierte Menschen, und es war ihrem Wohlbefinden abträglich, wenn sie sich in Geduld üben mußten. Wenn obendrein die Angst ihnen ins Gebein fuhr.
    Tick tick tick.
    Das ganze Leben lief nicht wie ein Film vor ihr ab, doch Ausschnitte huschten wie Seemöven an ihr vorbei, während sie sich krampfhaft aufs Cockpit konzentrierte. Stimmen quäkten im Kopfhörer, und sie versuchte die Vorstellung zu verdrängen, auf zweitausend Tonnen superkaltem Wasserstoff und Sauerstoff zu sitzen – zwei Basis-Moleküle, die sich danach sehnten, sich zu küssen und in ihrer elementaren Leidenschaft zu explodieren und sie in den blauen Himmel zu schleudern.
    Sie waren ganz allein hier draußen in der flirrenden tropischen Hitze; ihre Verwandten, Freunde und die übrigen Zuschauer hielten sich respektvoll in einer Distanz von fünf Kilometern, denn falls etwas schiefging …
    Start.
    Sie hatte indes nicht das Gefühl, abzuheben . Vielmehr ertönte ein infernalischer Lärm, die Rakete rüttelte und schüttelte sich, und dann spürte sie einen Hammerschlag und ein drückendes Gewicht.
    Es kam ihr so vor, als ob das Habitat sich von der Rakete gelöst hätte und um alle drei Achsen rotierte.
    Diese Erfahrung war nicht neu für sie, doch es war immer wieder so schlimm wie beim ersten Mal. Was habe ich hier überhaupt verloren?
    * * *
    Sie verbrachten einen Tag im niedrigen Erdorbit und prüften die Systeme durch, bevor sie den Flug in die Tiefen des Alls antraten.
    Die Mikrogravitation irritierte das Gehirn. Die im Schädel schwappenden Flüssigkeiten verursachten ein urzeitliches, primatenhaftes Unbehagen, und das Bewußtsein versuchte nun, diesen Effekt auszugleichen. Wir fallen! meldeten die Sinne schreiend dem Bewußtsein – so ging das die ganze Zeit. Astronauten mit Existenzängsten waren zu nichts mehr zu gebrauchen. Julia stellte fest, daß wie bei den Flügen zur Raumstation die Reflexe träge und die Gedanken verschwommen waren.
    Erschwerend kam hinzu, daß einem in der Schwerelosigkeit übel wurde. Dagegen war niemand gefeit, nicht einmal ein Veteran des Raumflugs. Das galt auch für die vier, und diesmal traf es eben Julia.
    Auf den Flügen zur Raumstation hatte sie sich ihren NASAnauten-Kameraden immer überlegen gefühlt, wenn ihnen schlecht wurde.
    Zuerst hatte sie ein komisches Gefühl im Bauch, dann ein flaues, und schließlich wurde ihr richtig schlecht. Dieses ›Kotz-Gefühl‹ suchte die Leute willkürlich heim, und zwar mit einer Beliebigkeit, die sie schon beleidigend fand. Immerhin war sie ein alter Weltraum-Hase! Noch dazu auf dem Weg zu einem bedeutenderen Ziel als einem lausigen Orbit! Der Magen ließ sie im Stich.
    Die Ärzte hatten noch immer kein Gegenmittel gefunden und

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