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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schnitzte weiter.
    Ron deutete auf den Korb, der neben ihm stand. Darin lag Mahis erstes Kind, ein Mädchen. Das Baby hatte die Augen geschlossen, strampelte mit den Beinchen. Eine Perle schimmerte auf der mattbraunen Haut.
    »Sie ist schön, die Perle. Hast du nach ihr getaucht?«
    Mahi nickte.
    »Viele?«
    »Nur ein Kind.« Jetzt legte Mahi doch das Schnitzmesser weg und hob den Zeigefinger: »Ein Kind.« Er kicherte. »Aber später, später viele.«
    Später viele? Er würde nach so vielen Perlen tauchen, wie er Kinder bekam. Waren es Mädchen und wuchsen sie heran, benötigte er Ketten. So viele Perlen würde er holen, wie er zu diesen Ketten brauchte. Nicht mehr. Einen anderen Sinn besaß das Perltauchen nicht für ihn.
    Ron legte Mahi die Hand auf die Schulter und ging.
    Es war ein sonderbar bitteres Gefühl, das ihn begleitete. Und dann war ihm, als würden plötzlich hinter dem Rascheln des Windes in den Palmen und dem Rauschen der Brandung am Riff die Geräusche der Welt wieder lebendig, die er verlassen hatte: Das unaufhörliche Summen der Bürotelefone, das leise Klacken der Computer, das Geschrei der Makler, die sich die Börsenkurse zuriefen. »Ich will das ganze Depot, Hamacher!« drängte eine hysterische Stimme. »Hören Sie, Hamacher. Setzen Sie alle Hebel in Bewegung. Ich will … ich will …«
    Und dann brach die Stimme ab, und eine ruhige, beherrschte Frauenstimme sagte: »Sind Sie noch dran? Sie können ruhig auflegen. Hier spricht Schwester Anneliese. – Wissen Sie, es ist so, der Patient hat eine Kreislaufschwäche erlitten …«
    Der Patient? Die Order war aus dem Krankenhaus gekommen. Der Mann, der sie gab, war am Krepieren gewesen – und hatte doch nichts anderes im Kopf als das ewige Mehr, Mehr, Mehr … Der Wahnsinn hatte die Order diktiert, nein, die pure selbstmörderische Habgier.
    Und du, dachte Ron, bist du auch im Begriff, wieder Patient zu werden? Fängst du nicht schon damit an, mit Zahlen zu jonglieren, so wie in den guten alten Zeiten? Und nur wegen ein paar lausigen Perlen … Was ist mit dir los? Hat dich jetzt auch der Irrsinn am Genick?
    Aber das ist es ja nicht, versuchte er sich zu beruhigen, etwas ganz anderes ist es doch: Tonu'Ata mag das Paradies sein – oder zumindest das Paradies, so wie du's dir vorstellst, aber jedes Paradies hat seine Fehler. Und wieso, zum Teufel noch mal, sollten die nicht korrigiert werden? Modernes Werkzeug würde allen die schwere Arbeit erleichtern. Und was ist, wenn die Leute Hilfe brauchen? Es sterben viel zuviel Kinder. Medikamente also, eine Krankenstation.
    Dann ein Sender, damit du irgend so ein dämliches Satellitenfunktelefon in die Hand nehmen kannst, bessere Netze, ein paar Außenbordmotoren – das alles kostet nicht die Welt, aber viel mehr, als du noch besitzt. Um all diese Pläne zu verwirklichen, sind, zum Beispiel, Perlen gut … Einige Annehmlichkeiten noch dazu, die die Zivilisation nun mal zu bieten hat, wären auch nicht übel. Nur einige wenige. Nicht mehr.
    Nicht mehr …
    Irgend etwas in Ran sagte, daß er im Begriff war, sich auf ziemlich kindische Weise, dafür aber um so gründlicher, selbst zu belügen.
    ***
    Wieder die Bucht …
    Sie tauchte bereits eine Stunde, und wieder schwang Tama sich herum. Ihr Arm deutete nach rechts. Er hatte die dunkle Erhebung für eine Kolonie von Hirnkorallen gehalten, nun sah er, daß sich die Erhöhung wie ein Wall bis zu dem lichtdurchwirkten Grau des Buchteingangs zog und dort verschwand.
    Er schwamm näher: Mein Gott, Muscheln! Schwarzlippige Austern … Eine an der anderen, eine über der anderen.
    Die Austern hatten sich auf die Strukturen und Verästelungen der Korallenpolypen gedrückt, sie weg geschoben, zogen sich dunkel durch einen Wald von Seegras, an dem wie eine silbern tanzende Wolke ein Schwarm von jungen Sergeantenfischen zupfte.
    Es war ein Wall, eine langgestreckte Mauer aus Austern, die sich in der Tiefe zu verlieren schien.
    Er tauchte auf.
    Vor ihm schob sich Tamas Gesicht aus dem Wasser.
    Das schwarze Haar tanzte auf den Wellen. Die weißen Zähne lachten.
    Er blickte hinüber zu den Kokosnuß-Bojen vor der Bucht.
    »Dort ist doch die Bank!«
    »Hier auch. – Hier besser …«
    Sie tauchten weiter, brachen die Austern aus der Bank, steckten sie in die Flechtbeutel, die sie schräg über der Schulter trugen, schwammen zurück, schafften die Beute ins Boot, tauchten wieder. Es war eine höllische Arbeit. Seine Augen brannten. Die Sonne durchdrang das Wasser

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