Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Hinterzimmers.
„Sehen Sie?“ Lea seufzte. „Ich habe gesagt, Sie würden es nicht verstehen. Hey! “
Sie schrie auf, als Bülent sich an ihr vorbeidrängte und Grams, der immer noch mit dem Rücken zu ihnen stand, den schweren alten VHS-Rekorder über den Schädel schlug.
Der Chemielehrer lag bäuchlings auf dem Boden und rührte sich nicht.
„Bist du wahnsinnig?“, schrie sie.
„Warum? Die haben doch noch den DVD-Player.“
„Fünf Minuten, und ich hätte ihn auf unserer Seite gehabt! Er hat doch nur versucht, Verständnis zu zeigen! Wie kannst du ihn einfach---“
„Fünf Minuten am Arsch, Frau Neunmalklug! In fünf Minuten ist längst der Hausmeister hier, und dann wäre ich gerne wieder auf der anderen Seite des Fensters. Und sag bloß, du hast nicht gemerkt, dass er dich nur hinhalten wollte. Der denkt, du bist jetzt in irgendeiner kriminellen Gang, und wollte dich hier festhalten, bis die Bullen kommen.“
Sie sah noch einmal zu dem Bewusstlosen hin. Dann zuckte sie traurig die Schultern.
„Tut mir leid“, sagte sie zu ihm.
„Spar dir jetzt deine Gefühlsduseleien und hol die Säure!“
„Welche nehmen wir überhaupt?“
„Was ist denn so das Stärkste, was es gibt?“
„Perchlorsäure, glaube ich. Auf jeden Fall keine Salzsäure, die ist für Babys.“
„Wahrscheinlich müssen wir eh nehmen, was wir kriegen können.“ Er ließ seinen Blick durch die Regale schweifen. „Hier ist zumindest konzentrierte Schwefelsäure. Ist doch'n echter Klassiker.“
„Dann einpacken und los!“
Sie leerten eine Kiste mit Gummistopfen aus und packten so viele der Plastikflaschen mit der Aufschrift „H 2 SO 4 (konz.)“ hinein, wie sie verstauen konnten. Dann nahm Bülent noch eine Schachtel mit Plastikhandschuhen sowie zwei leere Spritzflaschen vom Regal, schlanke Plastikbehälter, die in einen gebogenen Kanal mündeten. Der Kanal war elastisch, sodass man sogar ein wenig damit zielen konnte.
„Für diejenigen unter uns, die ohne eine solche Super-Wasserpistole auskommen müssen“, erklärte er, „sieht vielversprechender aus als eine von den normalen Mini-Wasserpistolen, die man dauernd nachladen muss und wo's am Ende noch raustropft.“
Sie kletterten wieder auf den Schrank. Sirenen erfüllten die Nacht, als sie sich hinaus in die Kälte fallen ließen.
„Allmählich wäre ich auch lieber woanders“, bemerkte Lea.
„Was du nicht sagst. Ich auch. Am liebsten ganz woanders als in Eschersbach, denn wenn Grams zu sich kommt, wird er der Polizei einiges zu erzählen haben!“
„Stimmt. Zum Glück hat er dich nicht gesehen. Und mich suchen sie eh schon. Ma muss nur sagen, dass ich seit meinem Verschwinden nicht aufgetaucht bin.“
Sie rannten durch die Nacht davon.
Ein sanfter Schneefall begann ohne Hast, die Glasscherben vor der Schulmauer mit unschuldigem Weiß zu überziehen.
67. Kapitel
„... und deshalb müssen wir jetzt schleunigst hier weg“, schloss Lea ihren Bericht.
Valeska schüttelte den Kopf. „Das war nicht richtig von euch. Wenn er jetzt eine ernsthafte Verletzung hat? Wenn er ärztliche Hilfe braucht? Ihr könnt ihn doch nicht so einfach liegen lassen! Er ist bewusstlos. Ihm muss nur die Zunge in den Rachen rutschen, und er erstickt. Wollt ihr ein Leben für das andere opfern? Das ist nicht meine Einstellung.“
„Wir haben die Sirenen seiner Retter schon heulen gehört“, mischte sich Bülent ein, „er wird schneller ärztliche Hilfe kriegen, als wir sie ihm hätten besorgen können. Aber jetzt müssen wir irgendwo hin. Die Polizei wird bald hier sein.“
„Und ich soll euch an ein solches 'Irgenwo' führen, nachdem ihr nun schon anfangt, unschuldige Leute zu erschlagen?“
„Du wolltest uns doch helfen, Ma! Du wolltest eine wichtige Rolle spielen und warst ganz unglücklich, dass du nicht mitkommen kannst. Dann hilf uns jetzt! Wenn mich die Polizei aufgreift, dann macht das die Geschichte auch nicht ungeschehen, und dann ... dann können wir nicht nach Prag, und dann ...“ Sie vergrub den Kopf in den Armen und begann leise zu schluchzen.
„Es ist gut, Schatz“, sagte Valeska und fuhr ihr sanft mit den Fingern durch die lockigen schwarzen Haare. „Es ist gut. Ich helfe euch ja. Ihr werdet nach Prag kommen. Und ihr werdet Hans wieder mit nach Haus bringen. Daran glaube ich, wie ich an meinen Gott glaube.“
Lea sah sie mit feuchten Augen an.
„Wo könnten wir hingehen?“, wollte Bülent wissen.
„Schon mal was von Kirchenasyl
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