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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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eingeschlafen
zu sein, aber es gelang ihm, sich lachend zu entschuldigen. Dann bat er Peter,
ihm ins Bett zu helfen.
    »Tut mir leid, dass ich diesen wunderbaren Abend so abrupt beende«,
sagte er, als er Wendys Hand zum Abschied schüttelte, »aber ich habe das
Gefühl, dass es nur der erste von vielen war.«
    »Das würde mich sehr freuen.« Lächelnd beugte Wendy sich zu ihm
herunter und küsste ihn auf die Wange.
    »Hmmmm. Du riechst nach Schokolade«, murmelte er, während er die
Augen kaum noch offen halten konnte.
    Wendy blieb stehen, wo sie war, bis die Männer den Raum verlassen
hatten, dann setzte sie sich zu Lily auf die Fensterbank.
    »Und? Habe ich bestanden?«, fragte Wendy betont unbekümmert, aber
immer noch ein bisschen unsicher.
    »Na ja. Grade so«, zog Lily sie auf.
    »Hätte ich irgendetwas tun sollen? Sagen sollen? Fragen sollen?«
    »Also, eine Sache hat mich schon gewundert.«
    »Nämlich?«
    »Dass du gar nichts über Liam wissen wolltest.«
    »Gilt das als Versäumnis?«
    »Na ja, die meisten Leute stellen immer gleich tausend Fragen, aber
vermutlich hat Peter dir längst in epischer Breite erzählt, was passiert ist.«
    »Ein bisschen schon, aber ich wollte das Thema nicht ansprechen. Ich
denke mir, Liam hat die Nase voll davon. Ich meine, nach allem, was Peter mir
erzählt hat, ist sein Zustand doch nur vorübergehend. Sein Unfall hat also im
Grunde nichts damit zu tun, wer er ist, was für ein Mensch er ist, oder?«
    Lily blinzelte.
    Sie wusste nichts zu erwidern.
    Sie hatte die Wahrheit gesagt.
    Genauso sollte es eigentlich sein.
    Aber sie ließen beide zu, dass sein Unfall, seine Verletzungen,
nicht nur ihn, sondern auch sie beeinflussten. In viel zu hohem Maße.
    Vielleicht sollte sie sich an Wendy ein Beispiel nehmen und Liam
einfach wie den Mann behandeln, der er vor seinem Unfall gewesen war. Denn tief
in seinem Inneren war er ja immer noch der gleiche Mensch. Das hatte er heute
Abend gezeigt – hinter der ruppigen Fassade war er immer noch der gute alte
freundliche, liebenswerte, witzige, kluge, großherzige Liam.
    Als Peter und Wendy sich verabschiedet hatten, holte Lily
tief Luft und betrat ganz leise Liams Schlafzimmer.
    Sie war überrascht, dass er noch wach war.
    »Hallo«, sagte sie leise. »Alles in Ordnung? Kann ich etwas für dich
tun?«
    Er ignorierte sie.
    Lily verkniff sich ein Seufzen und versuchte es noch einmal, im gleichen
Ton, nur etwas lauter, als hätte er sie nicht gehört.
    »Kann ich etwas für dich tun, Liam?«
    Schweigen.
    »Du musst fix und fertig sein. Ich bin es jedenfalls. Also, bis
morgen. Schlaf gut. Wenn du was brauchst, ruf einfach.«
    Sie lächelte und ging.
    Er ließ noch ein paar Sekunden verstreichen, ohne sich zu rühren.
    Dann blinzelte er.
    Er hatte auf ihr genervtes Seufzen gewartet.
    Das Seufzen, das er jedes Mal hörte, wenn er sich so aufführte. Er
wusste sehr wohl, dass er kindisch war, konnte aber einfach nichts dagegen tun.
In ihm saß ein solcher Groll, dass er körperliche Übelkeit verspürte. Er bekam
es selbst mit der Angst zu tun, als der Hass in ihm aufflammte, ein gegen alles
und jeden gerichteter Hass, den er immer wieder an seiner Frau ausließ … Dabei
wusste er doch, dass sie nicht die Ursache dieses Hasses war, er wusste, dass
er irrational reagierte, er wusste, dass dieser Hass sich in erster Linie gegen
ihn selbst richtete. Und dass Lily überhaupt nichts falsch gemacht hatte.
    Dass er sie leiden ließ.
    So, wie er leiden musste.
    Seine Lily.
    Wenn es je ein Mensch gewagt hätte, seine Lily so zu behandeln, wie
er sie derzeit behandelte …
    »Lily«, wollte er rufen, doch es wurde nur ein heiseres Flüstern.
    »Lily!!«, versuchte er es noch einmal.
    Dieses Mal waren kurz darauf schnelle Schritte im Flur zu hören.
    »Was ist, Liam?«, fragte sie so besorgt, dass er sich gleich noch
mehr schämte.
    Er streckte ihr die Hand entgegen.
    »Es tut mir leid.«
    Sie zögerte kurz, bevor sie seine Hand ergriff, was völlig
verständlich war, und doch versetzte es ihm einen Stich. Es schmerzte ihn so
sehr, dass ihm die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, nun doch nicht über
die Lippen kamen.
    Sie setzte sich neben ihn, und sie hielten sich an den Händen, als
wollten sie sich gegenseitig vor dem Absturz bewahren.
    Es gab so viel zu sagen. Und doch schwiegen sie.
    Bis Lily irgendwann das Schweigen brach.
    »Er wird sie heiraten.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es einfach. Wir kennen Peter schon so lange.

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