Das Rosenhaus
auf.
Er beobachtete sie einen Moment.
Ihm fiel auf, dass sie ihm automatisch wieder Darjeeling gemacht
hatte, ohne ihn noch einmal zu fragen. Er wartete, bis das Wasser kochte, bevor
er weitersprach.
»Ich habe den Eindruck, dass es ihm gut geht.«
»Ja, so kann er sein …«
»Wenn er mit anderen zusammen ist?«
Sie nickte.
»Hmhm«, machte er. »Schon seltsam, dass wir unsere Probleme immer an
denen auslassen, die wir am meisten lieben.«
»Ich glaube aber, dass er einen Wendepunkt erreicht hat«, eilte sie
zu Liams Verteidigung.
»Na, das ist doch prima.«
Er schritt auf sie zu und legte ihr onkelhaft die Hand auf die
Schulter.
»Lassen Sie ihm Zeit. Lassen Sie sich Zeit. Die Zeit heilt alle
Wunden.«
Warum taten freundliche Worte manchmal mehr weh als unbedachte?
»Ach, und Lily …« Sie sah ihn aus ihren grauen, vor Tränen
glänzenden Augen an. »Verzeihen Sie meine Direktheit, aber gerade in
schwierigen Zeiten dürfen Sie nie vergessen, dass es nur besser werden kann.
Kommen Sie, ich nehme Ihnen das ab …«
Eine Stunde später fuhr Corday wieder.
Sie ging zu Liam ins Arbeitszimmer.
Er saß in seinem Rollstuhl am Schachtisch, die Königin in der Hand,
als würde er über etwas nachdenken.
»Soll ich ’ne Runde mit dir spielen?«
»Liebe Mrs. Bonner, wie soll ich das denn
verstehen?«
Lily setzte sich ihm gegenüber und nahm sich die gegnerische Königin
vom Schachbrett.
»Du hast mir mal beigebracht, wie man Schach spielt. Weißt du noch?«
»Ich habe dir eine ganze Menge Dinge beigebracht, Lily«, sagte er
leise.
Dann stellte er seine Königin zurück an ihren Platz.
»Ich möchte jetzt nicht spielen, aber du darfst gerne hierbleiben …
und mit mir reden.«
»Mit dir reden?«
»Na, du weißt schon, wie früher, wenn wir spazieren gegangen sind
oder beim Abendessen … oder im Bett …« Nachdenklich legte er den Finger auf den
Kopf der Königin, ließ sie umkippen, sodass sie über das Brett rollte und
andere Figuren umriss wie beim Bowlen. »Du hattest mir gar nicht erzählt, dass
Duncan neulich hier war.«
»Ich hatte es Dylan erzählt.«
»Und das ist quasi dasselbe, ja? Dylan, der Mittelsmann.«
»Liam, bitte …«
»Worüber hast du mit Duncan geredet?«, unterbrach er sie und sah sie
dabei direkt an.
»Über dich«, antwortete Lily vorsichtig und erwiderte seinen Blick
so ruhig wie möglich.
»Über mich.«
»Aber nicht viel. Er hat sich natürlich erkundigt, wie es dir geht.«
»Natürlich. Und worüber sonst noch?«
»Über Tee.«
»Über Tee?«
»Ja. Er ist passionierter Teetrinker.« Lily senkte den Blick auf das
Schachbrett. »Er war nicht lange hier, so viel haben wir gar nicht geredet.«
Sie schwiegen. Lily widerstand der Versuchung, Liams Königin wieder
aufzustellen. Stattdessen platzierte sie ihre, die weiße, auf dem Brett und
arrangierte die anderen Figuren um sie herum: König, Läufer, Springer, Turm.
Er sah ihr dabei zu, wie sie alles systematisch aufbaute.
Dann sprach er weiter.
»Er nimmt mich morgen auf seinem Boot mit.«
»Wirklich?« Sie sah zu ihm auf.
»Sieh mich nicht so an, Lily …«
»Wie so ?«
»Na, so … so verdammt missbilligend.«
»Aber … ich … habe doch gar nicht … ich wollte nicht …«
»Dir passt es nicht, wenn ich gar nichts tue, und es passt dir
nicht, wenn ich etwas tue. Ich kann es dir so oder so nicht recht machen.«
»Du kannst es mir nicht recht machen?« Ihr
Blick verhärtete sich. » Du kannst es mir nicht recht machen?« Sie sprang auf und wollte
hinausrennen, doch er packte sie noch am Handgelenk.
»Lily, bitte bleib hier … es tut mir l …«
Der Rest des Wortes wurde vom Türknallen verschluckt, das Dylans
Rückkehr begleitete.
»Ich bin’s!«, rief er fröhlich durchs Haus. Sofort ließ Liam Lilys
Hand los, fast, als habe er etwas Unanständiges getan.
»Ich habe das Bat-Mobil oben an der Straße wegfahren sehen und
dachte, die Luft ist rein.« Er zwinkerte Lily zu, als er Liams Arbeitszimmer
betrat. Natürlich war er vollkommen ahnungslos, welche Szene er gerade gestört
hatte, denn Liams Miene hellte sich in dem Augenblick auf, als er den jungen Mann
erblickte.
»Rate mal, was wir morgen vorhaben, Dylan! Wir machen einen
Segeltörn!«
»Super. Hat Onkel Dunc dich auf die Seemöse eingeladen?«
»Das Boot heißt ›Seemöse‹?«
»Nein, sollte es aber. Oder alternativ ›Onkel Duncs Abschlepper‹.«
»Ich mache dann mal Abendessen«, flüsterte Lily und verdrückte sich
in
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