Das Rosenhaus
vor dem Haus
hörte, stand sie auf und trat ans Fenster.
Sie hatten ganz offensichtlich getrunken. Ein fünfter Mann saß nun
am Steuer von Cordays hässlichem Schlachtschiff von einem Auto, und er war der
Einzige, der sitzen blieb, während alle anderen grölend und lachend aus dem
Auto fielen und Liam nicht gerade mit Samthandschuhen aus dem Fond des Wagens
holten. Liam lachte und schrie vor Schmerzen.
Sie wurden nicht leiser, als sie das Haus betraten.
Sie schalteten das Licht ein, lachten, zerrten dann die Stühle über
den Steinfußboden in der Küche, klirrten mit Gläsern und prosteten sich in
verschiedenen Sprachen zu. Der Mann im Auto wartete.
Erst nach etwa einer Stunde verabschiedeten sie sich lautstark
voneinander, dann röhrte draußen der Motor wieder auf, und Corday, Christian
und der geduldige Fahrer entschwanden in die Nacht.
Dann wurde es still.
Ohrenbetäubend still. So still, dass sie nicht vor dem Morgengrauen
einschlafen konnte.
Am nächsten Morgen rief er sie, sobald er ihre Schritte
auf der Treppe hörte.
Er konnte es nicht abwarten, ihr von seinem Ausflug zu erzählen.
Er hatte sie nicht dabeihaben wollen, aber erzählen wollte er ihr
dann doch davon.
Sie waren von Falmouth nach Fowey gesegelt, wo sie in einem ganz
hervorragenden Restaurant ganz hervorragend zu Mittag gegessen hatten.
Nachmittags hatten sie irgendwo draußen Anker geworfen und geangelt, dann waren
sie dem Sonnenuntergang entgegen wieder zurückgesegelt. Er habe sich noch nie
so frei und so lebendig gefühlt und noch nie einen so schönen Tag erlebt.
Mit einem ungekannten Heißhunger stürzte er sich auf das Frühstück,
und Lily saß einfach da und lauschte seinem Redeschwall. Sie war seine
Stimmungsschwankungen inzwischen gewöhnt und kommentierte sie nicht weiter. Sie
erwähnte auch mit keiner Silbe, wie sie den Tag verbracht hatte. Nicht einmal
das, was sie dank Nathans Hilfe über ihre Ahnin herausgefunden hatte.
Normalerweise hätte sie sich kaum beherrschen können, es ihm so
schnell wie möglich in allen Einzelheiten zu erzählen, mit ihm hinzufahren und
es ihm alles zu zeigen, ihm zu erklären, dass sie offenbar doch Wurzeln in
Cornwall hatte und hier irgendwie zu Hause war.
Aber sie brachte kein Wort über die Lippen.
Ihm schien das nicht weiter aufzufallen.
Nur Dylan bemerkte, was mit dem Rosengarten passiert war.
In T-Shirt und Boxershorts kam er verkatert und vor sich hin
murmelnd in die Küche, steuerte die Spüle an und füllte sich dort ein Glas mit
Leitungswasser. Er blickte automatisch aus dem Fenster.
»Na, was du gestern gemacht hast, brauchen wir ja nicht zu fragen«,
sagte er grinsend, nachdem er sich zu ihr umgedreht hatte.
Liam sah sich nicht veranlasst, zu fragen, was er damit meinte. Er
hielt nur kurz inne, begrüßte Dylan mit einem Nicken und fabulierte dann weiter
von seinem Segeltörn, bis Dylan sein Glas in einem Zug leerte, auf die Uhr
schaute und verkündete, sie müssten sich auf die Socken machen.
Liam hatte wieder mal einen Röntgentermin im Krankenhaus.
Dieses Mal war Lily fest entschlossen, sie zu begleiten, und war
noch vor ihnen im Flur und in voller Montur.
»Willst du weg?« Liam sah sie fragend an.
»Ich fahre heute mal mit ins Krankenhaus.«
»Das brauchst du nicht, Dylan fährt mich.«
»Ich möchte aber gerne.«
»Dylan muss dabei sein, er muss aus erster
Hand hören, was der Arzt sagt, damit er meine Krankengymnastik danach ausrichten
kann. Ich finde es überflüssig, wenn ihr beide mitkommt.«
Das war natürlich ein völlig plausibler Grund. Aber die Art und
Weise, wie er mit ihr sprach, so trocken und von oben herab, ärgerte Lily. Und
dann, zum krönenden Abschluss, hängte er noch zynisch hintendran: »Du möchtest
doch, dass es mir bald besser geht, oder?«
Lily sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
Sie hatte wirklich genügend Zugeständnisse gemacht. Hatte auf seine
Traumatisierung, seine Schmerzen, seine medikamentöse Behandlung Rücksicht
genommen und alle möglichen Entschuldigungen dafür gefunden, dass er so war,
wie er war. Aber als sie das hörte und sein mürrisches, genervtes,
herablassendes Gesicht sah, das er stets ihr allein vorbehielt, kam sie zu dem
traurigen Schluss, dass er einfach kein netter Mensch mehr war.
»Hm. Ob ich möchte, dass es dir bald besser geht? Lass mich mal
überlegen …« Sie tat, als würde sie sich nachdenklich am Kinn kratzen,
schüttelte dann angewidert den Kopf, kickte ihre Schuhe von den Füßen
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