Das Rosenhaus
Füller, der blaue Tintenflecke auf ihrer Stirn hinterlassen hatte. Sie
sah blass und müde aus. Peter kam direkt vom Krankenhaus, wo er einen recht gut
gelaunten Liam angetroffen hatte, und konnte sich daher ausrechnen, dass Lilys
offenkundige Sorge nicht der Gesundheit ihres Mannes galt.
»Was ist? Was ist los, Lily?«
Sie hatte Ringe unter den Augen.
»Liam wird wahrscheinlich in ein paar Wochen entlassen. Aber er kann
hier doch gar nicht zurechtkommen, so, wie das Haus aussieht. Es muss noch so
viel gemacht werden, aber ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Ich habe
mich die ganze Zeit so darauf konzentriert, dass er wieder gesund werden muss,
dass ich überhaupt nicht daran gedacht habe, wie das alles praktisch
funktionieren soll, wenn er wieder hier ist. Guck dich doch mal um, Peter. So
geht das nicht.«
Peter setzte sich neben sie an den Tisch und nahm ihre Hand.
»Dann sorgen wir eben dafür, dass es geht«, sagte er. »Lily. Du bist
nicht alleine. Wir stehen das hier gemeinsam durch, okay? So, und jetzt gib mir
mal den Stift. Wir gehen die Sache Punkt für Punkt durch. Also, erstens wird er
eine ganze Weile nicht in der Lage sein, die Treppe hinaufzukommen.«
»Siehst du, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Wie blöd kann
man eigentlich sein?«
»Das hat nichts mit blöd zu tun, Lily. Du hattest anderes zu tun.«
Er nahm ihr den Stift aus der Hand.
»Also, wie wäre es, wenn wir aus dem Wohnzimmer ein Schlafzimmer
machen, nur bis es Liam besser geht? Das heißt allerdings, dass im Erdgeschoss
auch ein Bad installiert werden muss. Vielleicht könnten wir einen Durchbruch
zum Nebengebäude machen, das du eigentlich als Hauswirtschaftsraum nutzen
wolltest … Immerhin sind da schon Wasserrohre verlegt.«
Er fing an zu zeichnen.
Peter nahm Lily nicht nur Stift und Papier ab. In seiner
logischen, strukturierten und wohlüberlegten Art übernahm er auch die
Koordination der Baumaßnahmen. Unter seiner Aufsicht verwandelte sich Rose
Cottage Stück für Stück wieder in ein richtiges Haus. Er hielt sich nicht an
die Pläne, die Liam eigentlich für diese bauliche Rohmasse gehabt hatte, und
verwandelte sie dennoch in ein solides Domizil.
Fasziniert staunte Lily, wie das Haus dank vieler tüchtiger
Handwerker nach und nach in neuem Glanz erstrahlte.
Zwar hatte Peter die Bauleitung inne, aber er befragte Lily stets,
bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wurde. Die Renovierung des Hauses
war immer Liams Projekt gewesen, darum wollte Lily mit ihm über die
vorgenommenen Arbeiten reden, aber er sagte, er müsse sich jetzt auf andere
Dinge konzentrieren, er würde sich voll und ganz auf sie verlassen. Sie empfand
das als eine Bürde, denn sie entschied ja nicht nur für sich selbst. Sie
zerbrach sich den Kopf und überdachte immer alles doppelt und dreifach in der
Hoffnung, mit der Entscheidung auch in Liams Sinne zu handeln.
Aber Lily genoss es, Menschen im Haus zu haben.
Peter hatte fast die Hälfte von Cordays Arbeitern für das
Cottage-Projekt abkommandiert. Die Handwerker und anderen Subunternehmer
kampierten in den Wochen des Umbaus vor dem Rose Cottage. In der Firma mochte
man Liam, und so begegneten die Männer seiner Frau zunächst mit dem gleichen
Respekt und der gleichen Achtung wie ihm – bis alle sich ein bisschen besser
kennengelernt hatten. Schnell waren alle guten Manieren vergessen, es wurde
geblödelt und gelacht und viel überzuckerter Tee getrunken. Es herrschte eine
fröhliche Atmosphäre, die sich auch auf das sich neu formende Haus übertrug.
Gleichzeitig versuchte Liam, wieder ins Leben zurückzukehren. Er
staunte, wie anders es jetzt war und wie viel er bisher für selbstverständlich
genommen hatte.
Sein Leben bestand aus einer Endlosschleife aus Krankengymnastik,
Ergotherapie und »Seelenklempnerei«, wie Peter die wöchentlichen Sitzungen mit
einem Psychologen so schön nannte.
Der Unfall-Sachverständige besuchte ihn, aber das Gespräch fiel
äußerst kurz aus, weil Liam sich noch immer nicht an den Unfall erinnern
konnte. Er wusste, dass er am Abend vorher mit Peter in einer ziemlich vollen
Bar gewesen war und konnte sich auch noch an Duncan und Christian Corday in
einer Wirtschaft am Stadtrand von Penzance erinnern. Ab da hatte er einen
Filmriss.
Das Gespräch war eine reine Formalität.
Der Sachverständige erklärte, dass die Verantwortung ganz klar bei
der Gerüstbaufirma lag, die ihrerseits mit dem zuständigen Angestellten kurzen
Prozess gemacht
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