Das rote Flugzeug
nach dem Essen ins Büro zurückkehrte, ging er auf die Veranda und musterte besorgt den schwarzen Himmel im Norden und Osten.
»Da wird Loveacre wohl keine Chance haben, heute durchzukommen«, meinte er niedergeschlagen. »Dabei hatte ich es nie zuvor so eilig, einen Fall zu Ende zu bringen. Diese arme Frau wird zusehends schwächer. Dr. Knowles ist verzweifelt.«
»Er scheint persönlich an ihr interessiert zu sein«, bemerkte Cox.
»Ja, das stimmt. Er liebt diese junge Frau. Es muß entsetzlich sein, zusehen zu müssen, wie die Frau, die man liebt, langsam stirbt.«
Cox sagte nichts. Wieder blickte Bony zum Gewitterhimmel. Weit im Westen zeigte sich jetzt ein immer breiter werdender Streifen Blau, und diese Verheißung auf einen klaren Nachmittag machte Bony wieder zuversichtlicher. »Kommen Sie. Machen wir einen Spaziergang zur Post«, schlug er vor.
Zusammen gingen sie die Hauptstraße von Golden Dawn hinunter. Die Luft war rein und klar, aber schwül. Vom Boden stieg der Geruch der feuchten Erde zu ihnen auf.
»Ich bin froh, daß man Loveacre beauftragt hat, Illawalli zu holen«, bemerkte Bony. »Er ist ein guter Mann und kennt sich, wie ich gehört habe, im Buschland aus.«
»Ja, er kennt das Land und die Verhältnisse gut«, bestätigte Cox.
Beim Eintritt ins Postamt bemerkte Bony sogleich die hübsch gekleidete, gutaussehende Telefonistin, die vor ihrem Klappenschrank saß und einen Roman las.
Watts war gerade dabei, ein Telegramm hinauszuschicken, und das Klappern seines Instruments mischte sich mit dem fernen Donnergrollen, das von draußen hereindrang. Als er fertig war, stand er lächelnd auf und nahm von Bony das Telegramm entgegen, das dieser an Loveacre aufgesetzt hatte. Es lautete: »Gehen Sie kein unnötiges Risiko ein, aber Illawalli wird hier dringend gebraucht. Halten Sie mich auf dem laufenden, wenn möglich. Bony.«
»Scheint aufzuklaren, Mr. Bonaparte«, meinte Watts.
»Hoffen wir es. Wie lange wird das Telegramm brauchen?«
»Ungefähr zwanzig Minuten. Dringend?«
»Ja. Machen Sie es dringend, bitte.«
»In Ordnung. Ich gebe es gleich durch.«
Mit einem freundlichen Nicken wandte sich Bony wieder zur Tür, und Cox folgte ihm. Draußen sagte er: »Was halten Sie von der jungen Frau da drinnen?«
»Ich kann nichts gegen sie sagen, aber – sie weiß, daß sie hübsch ist. Ehrlich gesagt, mir ist sie nicht sympathisch.« »Hm. Mir geht es ähnlich. Ich möchte doch wissen …«
»Was denn?« drängte Cox. »Ich möchte wissen, ob sie das Morsealphabet kann.«
»Das weiß ich leider nicht. Und was ist, wenn sie es kann?«
Bony kniff seinen Mund mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Er blickte zum Himmel hinauf, und da die Sonne noch immer hinter den Wolken war, warf er einen Blick auf die Uhr über der Tür zur Post. »Gehen wir zurück«, sagte er.
Schweigend gingen sie die Straße wieder hinauf, Bony offensichtlich besorgt, der Sergeant dessen gewahr, aber im unklaren über den Grund dieser Besorgnis. Der Himmel hellte sich jetzt rasch auf. Der blaue Streifen im Westen vergrößerte sich zu einem weiten Feld. Als sie die Verandatreppe vor der Polizeidienststelle erreicht hatten, setzte sich Bony auf der obersten Stufe nieder und hielt den Blick auf die Straße gerichtet.
Die Minuten vergingen sehr langsam, aber dann kam ein Junge auf einem Fahrrad und übergab Bony ein Telegramm. Hastig riß Bony den Umschlag auf.
»Ah! Gute Nachricht!« rief er. »Loveacre schreibt, da das Wetter im Westen aufzuklaren scheint und alle Berichte melden, daß es westlich der Diamantina schön ist, fliegt er unverzüglich aus Cloncurry ab und direkt hierher.«
Er sprang auf und lief ins Büro. Als Cox nachkam, stand er vor der Wandkarte.
»Schauen Sie, Cox. Schauen Sie. Die Entfernung von Cloncurry beträgt grob fünfhundert Kilometer. Loveacre hat das Telegramm um zwei Uhr vierundzwanzig aufgegeben. Er müßte also in spätestens zweieinhalb Stunden hier sein. Warum er wohl geschrieben hat, er würde direkt fliegen? Das heißt doch, daß er ursprünglich eine Route gewählt hatte, die nicht auf geradem Weg hierhergeführt hätte.«
»Wahrscheinlich wollte er der Luftroute nach Winton folgen und von da weiter nach Longreach, ehe er von dort nach Yaraka und Golden Dawn abgeschwenkt wäre«, meinte Cox. »Auf dem direkten Weg von Cloncurry hier herüber gibt es keine Landemöglichkeiten, und eine Notlandung wäre eine gefährliche Angelegenheit.«
»Ja, so wird es sein«, stimmte Bony zu.
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