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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Eisengesellschaft waren verdutzt. Noch eine Salve, noch mehr von ihnen fielen.
    «Verteilt euch!» rief Großvater. «Kopf runter!»
    Jetzt gingen die Marionettentruppen zum Gegenangriff über. Großvater rollte zur Seite und schob ein Magazin in die Pistole. Schwarzauge richtete sich halb auf und brüllte: «Aufstehen! Singen! Eiserner Kopf, eiserner Arm, eiserne Mauer, eiserne Schranke, eisernes Kreuz, eiserne Galle, Eisenplatte, halte die Kugeln ab, wagt nicht, uns zu nahen. Eiserner Urahn auf dem Tiger, erlasst den Befehl, amalai ...»
    Eine Kugel pfiff über seinen Kopf weg, und er warf sich mit wachsbleichem Gesicht zu Boden, wie ein Hund, der in der Scheiße wühlt.
    Der Austausch der beiden Geiseln gegen Waffen und Reitpferde hatte Großvaters Führungsrolle in der gefürchteten Eisengesellschaft zementiert. Schwarzauge wurde zum überflüssigen Anhängsel. Wuluan wollte ihn loswerden, aber Großvater hielt ihn jedes Mal zurück.
    Nach den Entführungen wurde die Eisengesellschaft zur stärksten Kraft in der Gegend, und der Ruf des Jiao-Gao-Regiments und der Mannschaft des Zugführers Leng war ein für allemal ruiniert. Es schien, als sei Friede im Lande eingekehrt, und Großvater begann über ein großartiges Begräbnis für Großmutter nachzudenken. Jetzt ging es nur noch darum, um jeden Preis Reichtum zu erwerben. Er beschlagnahmte einen Sarg und ermordete jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Der Ruhm der Familie Yu verbreitete sich wie ein helles Feuer. Aber er hatte die einfache dialektische Wahrheit vergessen, dass eine helle Sonne sich verdunkelt, ein voller Mond abnimmt, eine volle Schale überfließt und Niedergang auf Blüte folgt. Großmutters grandioses Begräbnis war nur ein weiteres Glied in der Kette seiner großen Fehler.
    Wieder ließen die Maschinengewehre hinter der Böschung ihr Bellen hören. Großvater konnte ausmachen, dass es nur noch zwei waren. Offenbar hatten die Handgranaten des Jiao-Gao-Regiments die anderen außer Gefecht gesetzt. Die Jiao-Gao-Soldaten und die Soldaten der Eisengesellschaft, die mit ihnen flohen, waren dem Fluss auf vielleicht hundert Meter nahe gekommen, als wie eine sich öffnende Blüte Maschinengewehrfeuer begann. In dem Chaos wilder Farben lagen die Truppen wieder flach im offenen Gelände. Der schlaue Zugführer Leng nahm den Angriff nicht auf die leichte Schulter und befahl den beiden übriggebliebenen Maschinengewehren Dauerfeuer.
    Eine schwache Bewegung unter den Soldaten des Jiao-Gao-Regiments, die das Maschinengewehrfeuer an der Böschung umgemäht hatte, erregte Großvaters Aufmerksamkeit. Ein hagerer, blutüberströmter kleiner Mann hatte unter unendlichen Mühen begonnen, den Abhang hochzukriechen. Er war langsamer als eine Seidenraupe, langsamer als ein Wurm, langsamer als eine Schnecke. Sein Körper schien aus lauter voneinander getrennten Teilen zu bestehen, die sich einzeln den Abhang hochbewegten, während seinem Körper kleine Blutfontänen entsprangen. Großvater wusste, dass er einem Helden zusah, einem der Heroen der Gemeinde Nordost-Gaomi. Der Soldat blieb auf halbem Weg am Abhang liegen, und Großvater sah, wie er sich mühsam auf die Seite wälzte, um eine blutverschmierte Handgranate wie einen neugeborenen Säugling aus dem Gürtel zu ziehen. Mit den Zähnen zog er die Zündnadel, dann entzündete er die Zündschnur auf die gleiche Weise. Dem Holzgriff entströmte ein Rauchwölkchen. Mit der Zündschnur zwischen den Zähnen schleppte er sich auf einen Unkrautflecken an der Böschung zu. Die grüngefärbten Läufe der Maschinengewehre tanzten über der Böschung und stießen Rauchwolken aus, die sich in der Luft verloren, und Patronenhülsen, die zur Seite flogen.
    Großvater verspürte Reue, Reue darüber, dass er zu weichherzig gewesen war. Als er Pockennarbe Leng entführt hatte, hatte er nur einhundert Gewehre, fünf Maschinenpistolen und fünfzig Pferde als Lösegeld gefordert. Er hätte auch die acht Maschinengewehre verlangen sollen, aber er hatte sie vergessen oder ihren Nutzen unterschätzt. Seine Banditenjahre hatten ihn eine Vorliebe für leichte Waffen gelehrt. Hätte er diese Maschinengewehre auf seinen Einkaufszettel gesetzt, hätte Pockennarbe Leng an jenem Tag nicht verrückt spielen können.
    Als der Jiao-Gao-Soldat den Unkrautflecken erreicht hatte, warf er seine Granate. Hinter der Böschung erklang das schwache Krachen einer Explosion, und die Maschinengewehre flogen in die Luft und stürzten aufschmetternd wieder

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