Das Rote Kornfeld
übergeben!» ermahnte sie sich selbst. «Übergib dich nicht, Fenglian! Wenn man sich in der Brautsänfte übergibt, bedeutet das Unglück für das ganze Leben.»
Die Scherze der Träger wurden immer anzüglicher. Einer beschimpfte meinen Urgroßvater als einen geldgierigen Geizkragen, ein anderer erzählte etwas über ein niedliches Blümchen, das man in die Kuhscheiße steckt, und wieder ein anderer nannte Shan Bianlang ein lepröses Ungeheuer, das Eiter schwitzte und gelbe Flüssigkeit ausschied. Er sagte, man könne im Hof der Familie Shan den Gestank von verfaultem Fleisch riechen und das Haus sei voll von Schmeißfliegen.
«Kleine Braut, wenn du Shan Bianlang erlaubst, dich anzufassen, wird auch deine Haut verfaulen!»
Die Hörner und Flöten schmetterten und tönten, und der Geschmack der Eier in Großmutters Mund wurde immer stärker. Sie musste sich kräftig auf die Lippen beißen, und ihr Hals fühlte sich an, als habe ihr jemand einen Stoß in die Kehle gegeben. Schließlich konnte sie nicht mehr länger an sich halten und öffnete den Mund. Ein Strom von Erbrochenem schoss heraus und beschmutzte den Vorhang vor ihr. Die fünf Fliegen stürzten sich wie auf ein Kommando darauf.
«Kotz nur, kotz nur!» rief einer der Träger. «Schaukelt sie weiter, schaukelt nur immer weiter! Irgendwann wird sie schon etwas sagen.»
«Verschont mich, ältere Brüder, bitte verschont mich», stieß Großmutter unter quälendem Würgen hervor. Dann brach sie in Tränen aus. Sie fühlte sich gedemütigt, sie empfand die Gefahren, die vor ihr lagen, sie wusste, dass sie den Rest ihres Lebens in einem Meer der Bitterkeit verbringen würde. «Ach Papa, ach Mama! Du kleinlicher Vater, du herzlose Mutter, ihr wart mein Untergang!»
Großmutters bittere Klagen ließen die Pfade in den hintersten Hirsefeldern erzittern. Die Träger hörten auf, die Sänfte zu schaukeln, und beruhigten die tobenden Wellen. Die Musiker nahmen die Instrumente von den Lippen und überließen die Lüfte den Seufzern meiner Großmutter und den klagenden Weisen einer einsamen Flöte, deren weinender Klang bezaubernder war als die Stimme jeder Frau. Unter den Klängen der Flöte hörte Großmutter auf zu weinen, als folge sie einem Befehl des Himmels, um der Musik zu lauschen, die der wilden Natur zu entspringen schien. Ihr Gesicht sah alt und eingefallen aus und war nass von Tränen. In der sanften Melancholie des Flötenspiels hörte sie den Klang des Todes und konnte seinen Atem riechen. Sie sah den Todesengel mit Lippen so rot wie Hirse und einem goldenen, kornfarbenen Gesicht.
Mit schweren Schritten zogen die Träger schweigend weiter. Die halberstickten Klagen des Opferlamms in der Sänfte und die Flötenbegleitung, die von weiter hinten erklang, hatten sie unruhig und unsicher gestimmt, hatten ihre Seelen aus der gewohnten Ruhe gebracht. Es schien kein Hochzeitszug mehr zu sein, den sie über den Feldweg führten, sondern ein Trauerzug. Der Träger unmittelbar vor Großmutters Fuß - es war Yu Zhan’ao, der eines Tages mein Großvater werden sollte - fühlte eine seltsame Vorahnung, die in seinem Inneren aufglühte und den Pfad beleuchtete, den sein Leben nehmen sollte. Großmutters Weinen und Klagen hatten die Samenkörner der Zuneigung geweckt, die tief in seinem Herzen schlummerten.
Es war Zeit für eine Pause, und die Träger ließen die Sänfte auf den Boden herab. Großmutter, die vor Verzweiflung alles um sich vergessen hatte, merkte nicht, dass einer ihrer winzigen Füße unter dem Vorhang hervorsah. Der Anblick dieses unglaublich zarten, lieblichen Fußes ließ die Träger beinahe den Verstand verlieren. Yu Zhan’ao trat an die Sänfte, bückte sich und nahm Großmutters Fuß zart, sehr zart in die Hand, so zart, als hielte er einen neugeborenen Vogel, dessen Federn noch nicht trocken sind, und schob ihn dann zurück in die Sänfte. Das Zartgefühl, das er bewies, rührte sie so tief, dass sie es kaum lassen konnte, den Vorhang zurückzuziehen, um zu sehen, was für ein Mann dieser Sänftenträger mit der warmen jungen Hand war.
Ich habe immer daran geglaubt, dass Ehen im Himmel geschlossen werden und dass ein unsichtbarer Faden die verbindet, die füreinander bestimmt sind. Seit er Großmutters Fuß berührt hatte, spürte Yu Zhan’ao den Drang, sich ein neues Leben zu schaffen. Dieser Augenblick wurde zum Wendepunkt seines Lebens wie des ihren.
Die Sänfte setzte sich wieder in Bewegung. Da schmetterte plötzlich heller
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