Das Rote Kornfeld
Mannes mit fahler Gesichtsfarbe und kleinem, dünnem Schnurrbart heraufbeschwören.
Er ging ans Ufer zurück, versteckte sich hinter einem der Bäume und starrte blind auf die weißen Wellenkämme, die gegen die schwarzen Trittsteine schlugen. Im Morgenlicht wurde der Himmel allmählich blasser, und als die Wolken sich lichteten, konnte er die Umrisse des schmalen Uferpfades erkennen.
Der Mönch schritt zügig den Weg entlang. Der gelbe Wachstuchschirm verbarg sein Gesicht. Auf der grünen Kutte zeichneten sich versprengte Wasserflecken ab. Mit einer Hand hob er den Saum der Kutte, mit der anderen hielt er den Schirm in die Höhe. Seine rundliche Gestalt tänzelte hin und her, als er von einem Stein zum nächsten schritt. Jetzt, wo sein blasses, ein wenig gedunsenes Gesicht sichtbar wurde, griff Yu Zhan’ao nach dem Schwert. Sein Handgelenk begann zu schmerzen und wurde taub, seine Finger begannen zu zittern. Der Mönch überquerte den Bach, ließ den Kuttensaum fallen und stampfte mit den Füßen auf. Ein paar Schlammflecken spritzten auf seinen Ärmel, und er hielt ihn vor die Augen, um mit der Spitze des Fingernagels den Schmutz wegzuschleudern. Der hellhäutige Mönch, der stolz darauf war, immer sauber und frisch auszusehen, verströmte einen angenehmen Duft von Seife.
Er konnte den Seifenduft riechen, während er zusah, wie der Mönch den Regenschirm zusammenklappte, ihn auf den Boden schlug, um die letzten Wassertropfen abzuschütteln, und ihn dann unter den Arm schob. Die zwölf runden kleinen Narben auf seinem blassen Schädel funkelten hell. Er erinnerte sich an den Anblick seiner Mutter, die den Schädel des Mönchs mit beiden Händen streichelte, als umfasse sie eine Reliquie, während der Mönch wie ein zufriedener Säugling seinen Kopf in ihren Schoß legte. Inzwischen war der Mönch so nah herangekommen, dass er seinen schweren Atem hören konnte. Seine Hand fühlte sich glatt und schlüpfrig an wie ein Aal, und er konnte das Schwert kaum halten. Schweiß bedeckte seine Haut vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, vor seinen Augen verschwamm alles, ihm war schwindlig, und er hatte Angst, in Ohnmacht zu fallen.
Im Vorübergehen spuckte der Mönch ein Stück dicken Schleim aus, der klebrig und ekelerregend an einem Zweig hängenblieb. Ein Gefühl von Abscheu und Ekel stieg in Großvater auf. Seine Schläfen fühlten sich an, als schlügen Hämmer auf eine straff gespannte Trommel in seinem Kopf. Das Schwert schien seinen Weg in den Brustkasten des Mönchs von allein zu finden. Der taumelte ein paar Schritte vorwärts, bevor er sich an den Stamm eines Birnbaums klammerte, um sich aufrecht zu halten, und seinen Mörder anblickte. Er konnte den Schmerz in den mitleidheischenden Augen des Mönchs sehen, und für einen Augenblick überkam ihn Reue. Stumm glitt der Mönch vom Baumstamm zu Boden.
Als er das Schwert aus dem Brustkorb des Mönchs zog, gab die Wunde einen warmen Blutstrom frei, so weich und glatt wie die Feder eines fliegenden Vogels. Das Regenwasser, das sich in den Blättern des Birnbaums gesammelt hatte, fiel klatschend auf den sandigen Boden. Dutzende von Blütenblättern wirbelten zur Erde. Tief im Hain erhob sich ein leichter Wind, und später konnte sich Yu Zhan’ao an den zarten Duft der Blüten erinnern ...
Er bereute den Mord an Shan Bianlang nicht. Alles, was er empfand, war unüberwindlicher Abscheu. Das Feuer erlosch allmählich, aber sein Widerschein spiegelte sich noch am Himmel. Geistergleich glitt ein Schatten am Fuß der Mauer entlang, im Dorf erhob sich eine Flut von Hundegebell. Schrill klapperten die Metallbeschläge der Löscheimer, zischend traf das Wasser auf die lodernden Flammen.
Sechs Tage zuvor hatte ein kräftiger Schauer die Sänftenträger so durchnässt, dass sie aussahen wie begossene Hühner, und der einzige trockene Flecken am Körper der jungen Braut war ihr Rücken gewesen. In ebendiesem Gehöft hatte er mit den anderen Sänftenträgern und den Musikern in einer Schlammpfütze gestanden und zugesehen, wie zwei ungepflegte alte Männer die Braut ins Haus begleiteten. Kein Mensch in dem ganzen großen Dorf war gekommen, um das Schauspiel zu bewundern, und nicht einmal der Bräutigam hatte sich blicken lassen. Aus der offenen Tür hatte es nach Rost gerochen, und die Sänftenträger hatten, ohne dass man es ihnen hätte erzählen müssen, gewusst, dass der Bräutigam, der sich nicht zeigte, tatsächlich Lepra hatte. Weil sie kein Publikum fanden, hatten die
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