Das Rote Kornfeld
Als die Wellen sich legten, breitete sich ein fauliger Gestank über dem sonnenbeschienenen Wasser aus. Die Wurzeln der Wasserlilien bewegten sich, aber die Blüten verharrten in würdevoller Unbeweglichkeit. Die Sonne schien auf die Dorfbewohner, und Richter Caos Gesicht wurde glutrot. Mit ausdrucksloser Miene warteten die Zuschauer. Mit ausgestreckten Hälsen starrten sie auf den Fluss, der immer ruhiger wurde.
Plötzlich stiegen in der Mitte der Bucht zwei Reihen rosafarbener Blasen auf und platzten nacheinander. Die Leute am Ufer hielten den Atem an. Goldenes Licht lag über dem Fluss und blendete die Zuschauer. Dann verhüllte eine dunkle Wolke die Sonne, und die goldene Wasseroberfläche färbte sich smaragdgrün. Hinter den Blasen tauchten langsam zwei schwarze Gegenstände auf und schossen dann plötzlich an die Oberfläche. Zwei Hintern durchbrachen den Wasserspiegel. Dann drehten sich die treibenden Leichen, und die aufgeblähten Bäuche Shan Tingxius und seines Sohnes wurden sichtbar. Ihre Gesichter blieben unter Wasser, als halte eine letzte Scheu sie zurück.
Der Richter befahl, die Leichen aus dem Wasser zu ziehen, und ein paar Brennereiarbeiter holten eine lange Stange, an die sie einen Haken banden. Onkel Luohan warf die Stange aus und fing die Beine Shan Tingxius und seines Sohnes ein. Dabei entstand ein schlürfendes, kratzendes Geräusch. Die Zuschauer bekamen eine Gänsehaut, als hätten sie in unreife Aprikosen gebissen. Dann hatte Onkel Luohan die Leichen langsam ans Ufer gezogen.
Der kleine Esel hob den Kopf zum Himmel und schrie.
«Und was geschieht jetzt, junge Herrin?» fragte Onkel Luohan.
Großmutter dachte einen Augenblick nach. «Schick jemand in die Stadt», sagte sie dann, «und lass zwei billige Särge besorgen, damit wir die beiden so schnell wie möglich begraben können. Und such eine Grabstätte aus. Wenn du das erledigt hast, komm ins westliche Gehöft. Ich habe mit dir zu reden.»
«Jawohl, junge Herrin», antwortete er respektvoll.
Onkel Luohan legte seine beiden ehemaligen Herren in ihre Särge und begrub sie im Hirsefeld. Die kleine Gruppe von Lohnarbeitern arbeitete emsig und wortlos. Bis sie die Toten begraben hatten, stand die Sonne im Westen, und ihre Strahlen färbten die Flügel der Krähen, die über den Gräbern kreisten, purpurrot. Onkel Luohan sagte: «Männer, geht nach Hause und wartet auf mich. Sagt nichts, sondern wartet auf mein Zeichen.»
Er ging zum Westgehöft, um sich Anweisungen von Großmutter zu holen, die mit gekreuzten Beinen auf der Eselsdecke saß. Urgroßvater fütterte den Esel mit Stroh.
«Alles ist erledigt, junge Herrin», sagte Onkel Luohan. «Das sind die Schlüssel des älteren Herrn.»»
«Behalte sie vorläufig. Gibt es irgendwo im Dorf gefüllte Klöße zu kaufen?»
«Ja», sagte Onkel Luohan.
«Kauf zwei Körbe voll und verteile sie an die Männer. Wenn sie gegessen haben, sollen sie zu mir kommen. Und bring mir zwanzig Klöße.»
Onkel Luohan brachte ihr die in frische Lotosblätter gewickelten Klöße. Großmutter sagte: «Geh zum Ostgehöft und sag den Männern, sie sollen schnell essen.»»
Onkel Luohan murmelte etwas und entfernte sich rückwärts gehend.
Dann stellte Großmutter die zwanzig Klöße vor Urgroßvater auf den Boden und sagte: «Die kannst du auf dem Heimweg essen.»»
«Kleine Neun», sagte er erschrocken, «du bist doch meine Tochter!»
«Geh schon, ich will nichts mehr von dir hören.»
«Ich bin dein Vater», ermahnte er sie ärgerlich.
«Du bist nicht mein Vater, und ich verbiete dir, je wieder einen Fuß über meine Türschwelle zu setzen.»
«Ich bin dein Vater!»
« Bezirksrichter Cao ist mein Vater. Hast du das nicht gehört?»
«Nun mal langsam. Du kannst doch nicht einfach deinen Vater wegwerfen, weil du dir einen neuen gesucht hast. Schließlich haben Mutter und ich es nicht leicht mit dir gehabt.»
Großmutter warf ihm die Klöße mitsamt den Lotosblättern mit aller Kraft ins Gesicht. Sie trafen ihn wie explodierende Granaten.
Urgroßvater fluchte und tobte noch immer, als er den Esel zum Tor hinausführte: «Missgeburt! Uneheliche kleine Missgeburt! Uneheliche kleine Missgeburt ohne Familiensinn! Ich werde dich wegen Undankbarkeit und Pietätlosigkeit bei den Behörden anzeigen. Ich werde ihnen sagen, dass du Verkehr mit Banditen hast. Ich werde sagen, dass du den Mord an deinem Mann geplant hast ...»
Urgroßvaters Flüche und Schreie verklangen allmählich in der Ferne. Onkel
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