Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
vierzehnjähriges Mädchen namens Lian’er. Sie wohnten im Westgehöft und waren für sämtliche Küchenarbeiten zuständig. Dann kaufte Großmutter zusätzlich zu den beiden Hunden, die es schon gab, noch einen schwarzen, einen grünlichen und einen roten. Das Westgehöft, das nun die Heimat von drei Frauen und fünf Hunden war, wurde zu einer lebhaften eigenen kleinen Welt. Nachts schlugen die Hunde bei der kleinsten Störung an, und jeder Eindringling, den sie nicht totbissen, erschrak sich zumindest fast zu Tode.
    Im neunten Monat waren es schon fast zwei Monate, dass Yu Zhan’ao den Kocher in der Brennerei bediente, und die Hirse war voll und reif. Großmutter trug Onkel Luohan auf, ein paar Hilfsarbeiter einzustellen, die den Hof und die offenen Vorratsbehälter reinigen sollten, bevor man Getreide kaufte. Es waren helle, sonnige Tage, und der Himmel war klar. Großmutter in ihrem weißen Seidenkleid und den roten Samtpantoffeln hielt eine fingerdicke Weidenrute in der Hand und ging mit ihren Hunden im Hof spazieren. Die Dorfbewohner blickten sie misstrauisch an, aber keiner von ihnen hätte gewagt, in ihrer Gegenwart auch nur einen Furz zu lassen. Yu Zhan’ao ging ein paar Mal auf sie zu, aber sie blickte an ihm vorbei und schenkte ihm kein Wort.
    Eines Abends trank Yu Zhan’ao ein paar Schalen mehr als sonst und war schließlich ein wenig angetrunken. Er drehte und wand sich auf dem Gemeinschaftslager, aber im Mondlicht, das durch das Fenster in der Ostwand fiel, konnte er nicht einschlafen. Zwei Arbeiter saßen unter einer Öllampe und flickten ihre Kleider.
    Der alte Du griff zur Fiedel und begann, traurige Lieder zu spielen, die in den Herzen der Männer widerklangen. Irgend etwas musste geschehen. Einer der Männer, die ihre Kleider flickten, war von den melancholischen Weisen des alten Du so gerührt, dass sein Hals rauh wurde. «Wie traurig ist es, allein zu sein», sang er mit heiserer Stimme, «o so traurig, allein zu sein. Zerrissene Kleider flicken sich nicht ...»
    «Warum fragst du nicht die Herrin, ob sie sie dir näht?»
    «Die Herrin? Ich wüsste gern, welches Raubtier bei diesem zarten Schwan anbeißen wird.»
    «Der alte Herr und sein Sohn wollten sich an dem Schwan gütlich tun. Das hat sie das Leben gekostet.»
    «Also ich habe gehört, dass sie eine Affäre mit dem Räuber Blatternacken hatte, als sie noch zu Hause wohnte.»»
    «Heißt das, dass Blatternacken die beiden umgebracht hat?»»
    «Still! Was man auf der Straße sagt, hören die Leute im Gras.»»
    Verächtlich grinsend lag Yu Zhan’ao auf dem Bett.
    «Was lächelst du, kleiner Yu?» fragte einer der Männer.
    Der Schnaps hatte ihn mutig gemacht, und so platzte er unbedacht heraus: «Ich hab sie umgebracht.»
    «Du bist betrunken.»
    «Betrunken? Wenn hier einer betrunken ist, dann du. Ich sag dir, ich hab sie umgebracht.» Er drehte sich um, setzte sich auf, griff nach dem Beutel an der Wand und zog ein kurzes Schwert heraus. Als er es aus der Scheide zog, glänzte es im Mondlicht wie ein silberner Fisch. «Ich sag es euch», murmelte er mit schwerer Zunge, «unsere Herrin ... ich habe mit ihr geschlafen ... im Hirsefeld... habe nachts einen Brand gelegt... den einen erstochen ... den anderen auch ...»
    Wortlos blies einer der Zuhörer die Lampe aus. Der Raum war in tiefe Finsternis gehüllt, und der Mond schien um so heller.
    «Ruhe! Schlaft jetzt. Wir müssen morgen früh in der Brennerei sein.»
    Yu Zhan’ao murmelte vor sich hin: «Der Teufel soll dich holen ... tust so, als ob du mich nicht kennst... nachdem du dir die Hosen wieder hochgezogen hast ... lässt mich arbeiten wie ein Pferd ... wie einen Ochsen ... denk nicht, dass ich dir das durchgehen lasse ... heute nacht... ich bring dich um ...» Er kletterte mit dem Schwert in der Hand vom Bett und torkelte ins Freie. Die anderen lagen in der Dunkelheit und starrten stumm mit aufgerissenen Augen auf das Mondlicht, das sich in der Waffe spiegelte.
    Yu Zhan’ao ging in den mondhellen Hof und blickte auf die glasierten Schnapsfässer, die wie Juwelen glänzten. Leichter Südwind wehte von den Feldern und trug den bittersüßen Duft von reifer Hirse mit sich. Er zitterte. Das Gelächter einer Frau erklang im westlichen Gehöft. Er schlich sich ins Zelt, um die Bank mitzunehmen. Er hörte das Hufscharren des schwarzen Maultiers, das hinter dem Futtertrog angebunden war, und die kurzen schweren Atemzüge seiner Nüstern. Er kümmerte sich nicht um das Tier und

Weitere Kostenlose Bücher