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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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auch sehr konkreter Waffenverbote in ihre Schutzbemühungen einbezogen. In der Tat hat der unter maßgeblicher Mitwirkung des Roten Kreuzes geschaffene rechtliche Rahmen,welchen das Humanitäre Völkerrecht für eine legitime Kriegführung setzt, den Handlungsspielraum von Politik und Militär in signifikanter Weise eingeschränkt. Auch bei diesen Bemühungen aber war und ist man in Genf auf die Kooperation der Staaten angewiesen. Sie sind es letztlich, die jeder Regulierung und damit Einschränkung des Einsatzes militärischer Machtmittel zustimmen müssen – sei es durch den Abschluss von Verträgen oder durch eine gewohnheitsrechtsbildende Praxis.
    Die ebenfalls immer wieder erhobenen und von Moynier in seiner Rede auf der Genfer Konferenz referierten Vorwürfe, man jage ja nur einem «Trugbilde» nach, baue bloße «Luftschlösser» und würde bei den Bemühungen, «dem gegenwärtigen Zustand abzuhelfen […] auf unübersteigliche Hindernisse stossen», vermochte das Komitee indes alsbald zu widerlegen. An der Genfer Konferenz nahmen nicht nur 14 Staaten mit offiziellen Repräsentanten teil. Auch Vertreter einer Reihe privater Vereinigungen, darunter der Johanniterorden sowie verschiedene Wohltätigkeitsvereine, und engagierte Einzelpersönlichkeiten waren geladen und erschienen. Hiermit war das die Rotkreuzbewegung fortan in einzigartiger Weise prägende Element des Zusammenwirkens von privaten und staatlichen Komponenten vorgezeichnet. Der Vertreter des nichtstaatlichen Johanniterordens, im Protokoll wie selbstverständlich in die alphabetische Reihenfolge der Staaten eingeordnet, wurde sogar wegen seiner «absolut neutralen» Stellung zum Vizepräsidenten der Konferenz bestellt; ein in der europäischen Diplomatie des 19. Jahrhunderts präzedenzloser Vorgang! Den engen Kontakten von General Dufour zu allen Entscheidungsträgern seines Heimatstaates war es schließlich zu verdanken, dass die Schweiz mit einer besonders großen Delegation vertreten war, womit bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Grundlage für die Sonderbeziehung der Eidgenossenschaft zu der im Entstehen begriffenen Rotkreuzbewegung gelegt worden war.
    Die von der Konferenz am 29. Oktober 1863 nach lebhaften, hinsichtlich der wesentlichen Grundsatzfragen aber nicht wirklich kontroversen Debatten verabschiedeten zehn Beschlüsse und drei Wünsche stellen das eigentliche Gründungsdokumentder Internationalen Bewegung des Roten Kreuzes dar. Das zentrale Element dieser Beschlüsse war sicher – wie von Dunant in «Eine Erinnerung an Solferino» vorgesehen – die Errichtung jeweils eines nationalen Ausschusses samt eines organisatorischen Unterbaus («Sektionen»), welcher sich bereits in Friedenszeiten auf seine in enger Abstimmung und Kooperation mit der militärischen Führung zu erbringenden sanitären Hilfeleistungen im Krieg vorbereiten sollte. Diesem Beschluss folgten rasch Taten, und so waren binnen eines Jahres bereits zehn nationale Komitees gegründet, das erste bereits am 12. November 1863 im Königreich Württemberg – es folgten Oldenburg, Mecklenburg, Hamburg, Preußen, Italien, Frankreich und Spanien. Zu Recht konnte das Mitteilungsblatt des Komitees («Communication du Comité International») bereits 1864 vermelden, dass die Bildung eines Netzwerkes von Rotkreuzgesellschaften auf gutem Wege sei.
    Dem Komitee in Genf selbst wurde in den Beschlüssen nur eine sehr bescheidene und zudem explizit als «provisorisch» bezeichnete Rolle als eine Art Kurierdienst zwischen den nationalen Komitees zugedacht. Das verwundert nicht, war doch ein internationales Komitee in den Plänen Dunants eigentlich gar nicht vorgesehen. Auch wäre es zum damaligen Zeitpunkt wohl taktisch sehr unklug gewesen, die anwesenden Staatenvertreter mit der Möglichkeit einer ihrer politischen Kontrolle nicht vollumfänglich unterworfenen internationalen Organisationsstruktur zu konfrontieren und ihre Kooperationsbereitschaft damit wahrscheinlich zu überfordern. Ob und mit welchen Aufgaben versehen sich die Mitglieder des Komitees damals selbst eine dauerhafte Rolle in der Bewegung vorstellten, ist nicht bekannt. Wie so oft sollte sich auch hier erweisen, dass Provisorien langlebig sein können und sie ihren Wirkungskreis gelegentlich auch erheblich auszubauen wissen – ohne rechtes Mandat und sicher auch zur Überraschung ihrer Gründer.
    Beinahe indes hätte die Konferenz durch ein Missverständnis ihre größte rechtspolitische Chance verpasst:

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