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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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«Entschuldigen Sie mich bitte. Ich denke, ich kann Sie beide für einen Moment allein lassen.» Damit ging sie aus dem Raum.
    «Ich kann die Kleider hier nicht aufbewahren. Sie … sie würden sie mir wegnehmen», flüsterte Finchen hastig.
    «Wer? Die anderen Mädchen?»
    Finchen schüttelte den Kopf. «Sie.»
    «Frau Hartung?»
    «Ja.» Finchen ließ die Tür nicht aus den Augen. «Sie und ein paar der anderen Frauen, die hier arbeiten. Ich … ich hatte einen Anhänger, ein kleines Kreuz, das Simon mir geschenkt hatte. Es war nicht wertvoll, aber sie haben es mir weggenommen.»
    «Hast du mit Herrn Heinen darüber geredet?»
    «Ja. Er hat behauptet, dass ich lüge. Diese zwei oder drei Frauen, die können alles tun, sie werden nie bestraft. Eher schon eine von uns.»
    Finchen senkte die Stimme und sah sich ängstlich um. «Fräulein Lina, man kann hier ganz im Geheimen reden, aber die erfahren immer alles. Vielleicht horcht gerade jemand an der Tür.»
    Das klang so gar nicht nach ihrem fröhlichen, offenen Finchen. Lina sprach ebenfalls leise. «Wovor hast du Angst, Kind?»
    «Seit ich hier bin, ist ein Mädchen verschwunden. Sie hatte sich gegen die drei gewehrt, und dann war sie plötzlich weg. Und auch ihr Kind ist aus dem Waisenhaus verschwunden. Der Vorsteher behauptet, sie sei mit dem Kind weggegangen, aber dann habe ich ihre Kleider gesehen auf dem Lumpenhaufen, der für das Armenhaus hergerichtet wird. Sie trug eine wunderschöne himmelblaue Bluse an dem Tag, als sie herkam. Diese Bluse hätte sie niemals hiergelassen.»
    Jetzt war Finchen nicht mehr zu halten. «Und die Änne, mit der habe ich mich angefreundet, hat mir erzählt, dass noch mehr Mädchen verschwunden sind und zwei Neugeborene. Änne hilft der Hebamme, und sie sagte, die beiden Kinder waren kräftig und gesund, aber der Vorsteher behauptete, sie seien gestorben.»
    «Verschwanden sie zusammen?», fragte Lina.
    «Nein, im Abstand von vier Wochen.»
    Lina wagte nicht zu fragen, ob damals Vollmond gewesen war.
    «Fräulein Lina, ich habe so große Angst um mein Kind. Die Hartung ruft mich dauernd zu sich und hat mich schon zweimal vom Arzt untersuchen lassen. Und Änne hat gesagt, so hätten sie das mit allen gemacht, die verschwunden sind, und auch mit den Müttern der verschwundenen Kinder. Bitte, nehmen Sie mich mit zurück nach Ruhrort, bitte.»
    Lina sah ihr verzweifeltes Gesicht, schüttelte aber den Kopf. «Das geht nicht, und das weißt du. Clara Dahlmann wird dich nicht aufnehmen, und ich wüsste auch niemanden sonst.»
    Sie hörte Schritte auf dem Flur. «Halte durch, Finchen. Ich werde die Sachen für dich aufbewahren.»
    «Aber …» Das Mädchen verstummte, denn Frau Hartung kam wieder herein.
    «Bei einem der Mädchen haben die Wehen eingesetzt. Finchen muss jetzt wieder an die Arbeit, sonst werden wir nicht fertig.»
    «Nun gut», sagte Lina und ließ Frau Hartung spüren, dass sie das abrupte Ende des Gesprächs missbilligte. «Ich werde dich schon bald wieder besuchen, meine Kleine. Commissar Borghoff kann mich mitnehmen, wenn er zur Staatsanwaltschaft fährt.»
    Sie beobachtete genau Frau Hartungs Gesicht, aber diese verzog keine Miene, sondern legte nur eine Hand auf Finchens Schulter und schob sie aus dem Raum.
    Während das Mädchen Lina noch einen flehenden Blick zuwarf und dann den Gang hinunter zur Treppe ging, sagte Frau Hartung: «Ich weiß, dass Sie es gut meinen mit ihr, Fräulein Kaufmeister. Aber die Mädchen hier müssen sich daran gewöhnen, dass sie auf sich selbst gestellt sind. Wir sehen es also nicht gern, wenn Sie hierherkommen und ihr falsche Hoffnungen machen. Sie redet ohnehin schon viel zu viel von Ihnen und dem schönen Haus, in dem sie gearbeitet hat.»
    «In dieses Haus können weder sie noch ich selbst zurückkehren, Frau Hartung. Und auch ich bin auf mich selbst gestellt. Aber so wie ich in meinem Leben meine eigenen Entscheidungen treffe, werde ich auch entscheiden, wann und wie oft ich Finchen besuchen werde.» Lina ließ sie stehen und ging zur Treppe. Dort drehte sie sich noch einmal um. «Herr Heinen versicherte mir eben, dass dies hier kein Gefängnis sei, auch wenn Ihre Gesellschaft bei unserem Gespräch eher etwas anderes vermuten lässt.» Damit nahm sie den Stock in die andere Hand und griff nach dem Geländer. «Und nächstes Mal werde ich Herrn Heinen persönlich bitten, dass ich mit Finchen unter vier Augen sprechen kann.» Damit ging sie hinunter und spürte genau den Blick, mit

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