Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
schwieg sie, während sie nachdachte.
«Nein», sagte sie dann. «Ich denke, ich werde meinem Bruder ein anderes Geschäft vorschlagen. Aber Sie haben mir trotzdem sehr geholfen, lieber Freund.»
Der Baron wurde plötzlich ernst. «Eigentlich hatte ich gehofft, inzwischen mehr als ein Freund zu sein, Lina. Ich hätte es Ihnen gern unter anderen Umständen gestanden, bei einem festlichen Essen zum Beispiel, aber Sie haben mir noch nicht die Gelegenheit gegeben, mich zu erklären.»
Für einen kurzen Moment stellte Linas Verstand sie vor die Frage, was geschehen wäre, wenn der Baron ihr diese Eröffnung vor der letzten Nacht gemacht hätte. Aber wie eine Welle kam die Erinnerung an Roberts Zärtlichkeiten über sie.
«Lieber Baron – lieber Cornelius», sagte sie ebenso ernst. «Was Sie dazu bringt zu glauben, in mich verliebt zu sein, ist das, was unsere Freundschaft ausmacht und was auch ich unendlich schätze. Unsere Gespräche und dass wir füreinander da sind, wenn es nötig ist. Aber letztlich bin ich nur eine kleine hinkende Kleidermacherin. Und wenn es Sie eines wahrscheinlich nicht zu fernen Tages aus der Provinz wieder hinaus in die große Welt treibt, wäre ich nur ein Klotz an Ihrem Bein. Sie mögen mich schön nennen, aber letztlich wäre ich nicht vorzeigbar.»
«Sie lieben mich nicht, Lina. Schieben Sie keine falschen Gründe vor.»
Er war enttäuscht.
«Ich liebe Sie wie einen Freund. Aber Sie haben recht, ich liebe Sie nicht, wie eine Frau ihren Mann lieben sollte. Wenn ich wirklich immer so vernünftig wäre, wie ich es mir selbst vormache, dann würde ich Sie mit Freuden heiraten, und diese Ehe wäre sicher nicht die schlechteste. Aber hier sollte nicht die Vernunft sprechen. Ich kann selbst für mich sorgen, und es wäre nicht richtig, auf Ihr Angebot einzugehen, nur weil mein Leben dann leichter wäre.» Lina sah auf den Boden.
«Sie machen es mir nicht leicht, Lina. Ich muss das wohl so hinnehmen.»
«Ja», sagte sie schlicht. «Aber ich hoffe sehr, dass unsere Freundschaft erhalten bleibt. Ich wäre sonst untröstlich.»
Mit diesen Worten erhob Lina sich. «Verzeihen Sie, aber ich muss jetzt nach Hause. Ich habe viel Arbeit, und vielleicht gibt es etwas Neues über den kleinen Oskar. Ich wünsche mir so sehr, dass er wohlbehalten gefunden wird.»
Er begleitete sie bis an die Tür. «Wir bleiben Freunde, Lina. Und wir werden nicht mehr über das Thema sprechen. Aber wenn Sie Ihre Meinung jemals ändern sollten, zögern Sie nicht, es mir zu sagen.»
«Das werde ich.»
Er nahm ihre Hand und küsste sie. «Treffen Sie eine kluge Entscheidung, Lina.»
Auf der Straße fragte sie sich, ob er das Geld oder seine Liebeserklärung gemeint hatte.
Etwa zur selben Zeit, als Lina das Haus des Barons verließ, kam Pfarrer Wortmann ins Rathaus, unter dem Arm mehrere recht verstaubte Papierrollen.
Borghoff kannte den Pfarrer flüchtig, ein eifriger Kirchgänger war er nicht. «Gehen wir ins Büro des Bürgermeisters», schlug er vor, nachdem sie einander begrüßt hatten.
Auf dem großen Tisch, an dem gewöhnlich die Gemeinderatssitzung tagte, breiteten sie die Pläne aus. Bürgermeister Weinhagen war am Morgen zur Bezirksregierung nach Düsseldorf gefahren, um dort Pläne zum Bau einer Brücke über die Ruhr vorzustellen, die die überlastete Fähre nach Duisburg ersetzen sollte.
«Ich habe sie mir schon lange nicht mehr angesehen.» Wortmann starrte auf die vier Papierbögen und versuchte herauszubekommen, wie sie aneinandergesetzt werden mussten. «Ah, hier ist der Marktplatz in der Altstadt. Dort stand die frühere Ruhrorter Kirche bis 1845. Hier hat es einen Eingang gegeben, sehen Sie? Er existiert nicht mehr.»
Es sah tatsächlich so aus, als wäre ganz Ruhrort unterhöhlt. Borghoff blickte auf das verzweigte Gangsystem und fragte sich, wie er etwas oder jemanden dort unten finden könnte. «Ich denke, interessanter ist der Teil, der unter der Neustadt liegt.»
Sie fanden das Stück und legten es an die anderen Teile. «Hier», sagte Wortmann. «Das müsste ein Eingang direkt am Wasser sein. Dort haben sie wohl die Schiffe beladen. Es ist nur die Frage, ob er derzeit noch zugänglich ist, wir stehen ja kurz vor dem ersten Hochwasser. Man könnte den einen oder anderen Bürger fragen, unter dessen Haus ein Eingang liegt.»
«Das möchte ich lieber nicht tun», sagte Borghoff.
Der Pfarrer sah ihn an. «Mein Freund Mancy hat mir sehr üble Dinge berichtet. Haben Sie mit dem
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