Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Bürgermeister darüber gesprochen?»
«Nein, das habe ich nicht. Weinhagen legt großen Wert darauf, dass seine fleißigen Ruhrorter Bürger nicht in ihren Geschäften gestört werden. Ich glaube kaum, dass er sich von Geschichten, die auf Hörensagen beruhen, beeindrucken ließe.»
«Von wem haben Sie denn diese Geschichten?»
Borghoff lächelte. «Aus einer sehr zuverlässigen Quelle. Und Pfarrer Mancy hat unheimliche Geräusche aus den Schmuggelkellern gehört. Aber all das ist nichts, womit ich den Bürgermeister davon überzeugen könnte, auch nur das Haus einer der Familien zu durchsuchen. Im Augenblick habe ich auch nur eines im Sinn: den kleinen Oskar lebend zu finden und ihn zu seiner Mutter zurückzubringen.»
«Sie glauben, da unten das Kind zu finden?»
«Nicht heute. Aber vielleicht am 25., wenn Vollmond ist. Oder am 31., an einem ihrer höchsten Feiertage.»
Borghoff wandte sich wieder der Karte zu. Jetzt lagen alle vier Teile des zerfledderten Plans vor ihnen. «Ich könnte versuchen, von der Mühlenweide aus bis unter die Neustadt zu gelangen.» Er fuhr mit dem Finger den Weg entlang.
«Das sind die Kohlenlager», erklärte Wortmann. «Am besten sprechen Sie mit Franz Haniel, er hat dort mehrere Anlegestellen.»
«Gut, dann werde ich das tun. Darf ich den Plan vorerst behalten?»
«Natürlich.» Wortmann schien immer noch über das nachzudenken, was Borghoff ihm erzählt hatte, so dürftig es auch gewesen war. «Bitte, Herr Commissar, Sie müssen mir alles erzählen, was Sie bisher wissen. Es mag sich ja abstrus anhören, doch Pfarrer Mancy und ich sind uns einig, dass wir etwas dagegen unternehmen müssen. Wie viele Ruhrorter Bürger sind bereits darin verwickelt?»
«Sie meinen Alteingesessene? Nun, es können sechzig bis achtzig Personen sein, von Arbeitern und Dienstpersonal über kleine Händler und Handwerker. Aber das war im Sommer, und sie breiten sich rasch aus. Die wirklich einflussreichen alteingesessenen Familien scheinen sie noch nicht erreicht zu haben, allerdings werden die Geschäftsbeziehungen enger.»
«Und was genau geschieht da unten?»
«Ich war nicht dabei», sagte Borghoff. «Ich bin nur sicher, dass sie Mörder sind und Tiere opfern. Und sie schänden ihre eigenen Kinder und tun vielleicht noch Schlimmeres.»
«Großer Gott!» Pfarrer Wortmann war bleich geworden.
«Verstehen Sie nun, Herr Pfarrer, warum ich ohne einen greifbaren Beweis nichts unternehmen kann?»
Wortmann nickte. «Wenn Sie von mir oder Mancy Hilfe benötigen, sagen Sie es. Ich denke, mein Amtsbruder und ich sollten den Bürgermeister trotzdem aufsuchen. Vielleicht wird er dann Ihren Erkenntnissen etwas zugänglicher sein.»
Gerade als sie sich zum Abschied die Hand schüttelten, drang ein Schrei nach oben. «Hilfe, Hilfe, er ist tot!»
«Erbling!», rief Borghoff und stürmte die Treppe hinunter ins Kellergewahrsam, der Pfarrer folgte ihm. Der Polizeidiener stand fassungslos vor der geöffneten Tür. «Ich habe mich nur kurz erleichtert, und als ich zurückkam, lag er so da.»
Borghoff betrat die Zelle und suchte Erblings Puls. Nichts. Der Mann war tot. Als er sich zu ihm hinunterbeugte, nahm er einen Bittermandel-Geruch wahr. «Zyankali», sagte er. «Das muss er bei sich gehabt haben.»
Auf dem Boden neben der Pritsche lag ein Papier, an dem noch einige Pulverreste hafteten, auch die dufteten schwach nach bitteren Mandeln. «Er war Arzt, an Gift zu kommen, war nicht schwierig für ihn.» Vorsichtig nahm er das Papier hoch.
«Hat er etwas behalten, als er die Kleidung wechseln musste?», fragte der Commissar den Polizeidiener.
«Ja, Kleinigkeiten. Ein Taschentuch und seine Uhr.»
«Wahrscheinlich hatte er das Papier mit dem Pulver in sein Taschentuch gewickelt. Verdammt!» Borghoff sah in das Gesicht des Pfarrers. «Er war meine einzige Hoffnung, legal in das Haus der Wienholds zu kommen.»
«Die Wienholds also», sagte Wortmann.
«Ja. Aber sie werden davonkommen, weil Erbling nicht gegen sie aussagen wird.»
Gegen seine sonstige Gewohnheit kam Robert Borghoff über Mittag nach Hause. Er und Lina saßen sich am Küchentisch gegenüber. Linas Herz klopfte die ganze Zeit, einmal, weil sie Angst hatte, sie könnten sich verraten, aber natürlich auch, weil es ihr schwerfiel, ihn nicht berühren zu dürfen. Außerdem brannte sie darauf, ihm von dem Fund der Obligationen zu berichten. Es kam ihr ungerecht vor, sich so glücklich zu fühlen, wenn mit ihnen Finchen am Tisch saß, still,
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