Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ihnen noch viel Ärger machen, Fräulein Kaufmeister.»
«Ja, damit ist wohl zu rechnen.» Lina kam zur Tür und reichte ihm die Hand. «Vielen Dank erst einmal. Für die Kanne und für Ihre Hilfe.»
«Gern geschehen.» Borghoff verbeugte sich leicht und ging dann ins obere Stockwerk.
Georg hatte also etwas vor. Und sie hatte keine Ahnung, was das sein könnte. Sie plante, am nächsten Tag Guste zu besuchen, die möglicherweise mehr wusste. In dieser Nacht würde sie nicht gut schlafen, fürchtete sie.
Lina war früh aufgewacht, hatte sich gewaschen und angekleidet, Antonies ungenießbare Hafergrütze hinuntergewürgt und war wieder hinaufgestiegen, um die Teile eines anderen Kleides auszulegen, das sie in den nächsten Tagen fertignähen wollte. Dieses hatte zum leichten Oberteil mit nur schmalen Ärmeln noch ein passendes Jäckchen für kühlere Tage. Es war noch zu früh, um Guste zu stören, deshalb beschäftigte sie sich noch eine Weile.
Sie hörte, wie Clara den Laden öffnete und erste Kundschaft bediente. Kurz darauf hielt ein Fuhrwerk, was morgens nichts Ungewöhnliches in der Harmoniestraße war, wo einige Läden beliefert werden mussten.
Plötzlich hörte sie Clara unten rufen: «Was wollen Sie hier?»
Und es antwortete Georgs Stimme: «Ich bin hier, um mein Eigentum abzuholen.»
Linas Herz klopfte bis zum Hals. Was hatte er vor? Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass draußen ein Wagen stand, ganz ähnlich dem, mit dem sie ihre Möbel hergebracht hatte.
Gefolgt von der laut rufenden Clara kam Georg die Treppe herauf, hinter ihnen die beiden Männer, die von dem Karren gesprungen waren.
In Linas Kopf arbeitete es. Er würde die Möbel ihres Vaters mitnehmen, so viel stand fest. Und wenn er noch mehr …?
Sie rannte ins Schlafzimmer, holte das Papier ihres Vaters und steckte es unter ihre Bluse. Wenn sie das einbüßte, wäre die kurze Galgenfrist, die Borghoff ihr verschafft hatte, dahin.
Die Tür wurde aufgerissen, und Georg stand da. «Du hast ohne meine Erlaubnis Möbel aus meinem Haus mitgenommen. Das ist Diebstahl. Ich war bei der Polizei, ich hätte dich anzeigen können, aber weil du meine Schwester bist, werde ich die Möbel lediglich zurückholen.» Er drehte sich zu den beiden Männern um, die hinter Clara Dahlmann warteten. «Los. Alles mitnehmen!»
«Nicht alles.» Clara Dahlmann baute sich vor den beiden starken Kerlen auf. «Das Sofa, der Tisch und die Stühle gehören mir!»
«Ihr habt es gehört.» Georg machte eine unmissverständliche Geste. Die beiden warfen als Erstes die Bücher aus dem Schrank.
«Holt eine Kiste für die Bücher und das, was in den anderen Schränken ist», wies Georg sie an.
«Die Bücher gehören zum Teil Baron von Sannberg.» Das waren die ersten Worte, die Lina herausbrachte.
«Der große Atlas gehörte Vater. Der geht mit.»
«Aber Vater hat ihn mir Monate vor seinem Tod geschenkt.»
«Kannst du das nachweisen?», fragte Georg. «Und selbst wenn. Du bist unmündig, dir gehört gar nichts.»
Die beiden Packer hatten den Schrank hinuntergetragen und auf den Karren gehievt, jetzt kamen sie mit zwei großen Körben zurück.
Georg selbst begann, die Eckkommode zu leeren. «Sieh an», rief er, als er den Geldbeutel entdeckte. «Hier ist also das Geld, das du mir gestohlen hast.»
«Das ist mein Geld. Mein Erspartes!», schrie Lina.
«Erspart? Wohl von meinem Haushaltsgeld, oder?» Lina konnte ihm die große Genugtuung ansehen, mit der er sich für ihren Affront, sein Haus zu verlassen, rächte.
Als Nächstes kamen Gläser, Geschirr und Besteck an die Reihe. Georg warf es einfach in den Korb, das meiste ging dabei zu Bruch.
«Das ist meine Aussteuer.» Lina schrie nicht mehr. Sie war wie betäubt.
«Aussteuer? Ich wüsste nicht, wann du dich verheiratet hättest.» Georg warf die Teekanne, die auf dem kalten Ofen stand, in den Korb. Linas Kleidertruhe mit allen Kleidern, den Sessel ihres Vaters, die Eckkommode, alles trugen die beiden Helfer hinunter.
Clara hatte die ganze Zeit fassungslos danebengestanden und sah nun, wie Georg die Leute ins Schlafzimmer schickte, wo sie begannen, Linas Wäsche aus der Kommode zu zerren.
Jetzt mischte sie sich ein. «Herr Kaufmeister, Sie werden sich doch wohl nicht erdreisten, Ihrer Schwester die Unterwäsche zu rauben.»
«Nicht ich, sondern sie hat mich beraubt», sagte Georg kalt.
Als das Bett und die Waschkommode hinausgetragen wurden, wagte Lina noch einmal, sich zu wehren. «Das sind meine
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