Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Falls es ihm gelang, ihr zu helfen, ihre menschl i chen Eigenscha f ten zu bewahren, würde diese Entwicklung Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Ihr jetziger seelischer Zustand würde den Prozess zusätzlich verzögern, war doch ihre vermeintlich letzte menschliche Empfindung von einem Vertrauen s bruch geprägt. Ihm wurde übel bei der Vorstellung, was aus ihr werden würde, nachdem er sie umgewandelt hatte. Mit Gewissheit konnte er es nicht sagen, doch die Gefahr, durch eine vorschnelle Umwandlung zu einer kalten, herzlosen Kre a tur zu werden, war groß. Es gab zwei Möglichkeiten, sie zu verlieren. Der Tod war endgültig. Dagegen barg ihr Dasein als Vampir zumindest den Hauch einer Chance, gegen Modgudr zu bestehen. Mit an Siche r heit grenzender Wahrscheinlichkeit würde Leyla zu den Ersten gehören, gegen die Modgudr ihren Hass richten würde. Allein deshalb, weil es ihr als Mensch gelu n gen war, bis Niflheim vorzudringen und es lebendig zu verlassen. Diese Beleidigung würde die Höllenjungfrau nicht ungesühnt lassen. Sein tiefes Knurren hallte von den feuchten Wänden wider, als er sich seiner egoist i schen Motive bewusst wurde. Unschlüssig verharrte er vor der schweren Tür, hinter der sich einst Fjodoras Gemach verbarg. Fjodora hatte ihn geschaffen. Sie war der Inbegriff des Bösen gewesen. Doch u n terschied er sich von ihr? In Wah r heit wollte er Leyla bei sich behalten. Auch auf die Gefahr hin, aus ihr ein Wesen zu machen, das ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht war. Vol l kommen fixiert auf Macht und Blut. Jegliche Lebendigkeit verloren. Ein Wesen, wie er es selbst war. Was er zu tun gedachte, hatte nichts mit Liebe zu tun. Diese Erkenntnis schmeckte bitter. Sein Inne r stes schrie auf wie ein gequältes Tier in einem Käfig. Fest presste er ihren schlaffen Kö r per an sich und trat mit voller Wucht gegen das massive Eichenholz. Die metallenen Scharniere rissen aus den Halterungen. Äc h zend schwang die Tür auf und krachte innen gegen die Wand. Immer noch verzweifelt nach einem Ausweg suchend, bettete er Leyla sanft auf die überladene Lagerstätte. Ihr blasses Gesicht versank fast in den weichen Kissen, zeigte nur eine Ande u tung von rosigen Wangen, die er nie wieder zu sehen bekommen würde. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen und zeugten von En t kräftung.
Beim letzten Kampf gegen zwei Gegner hatte er ihr den Rücken g e deckt. Die Munition ihrer Pistole längst verschossen, war sie zum Schwertkampf übergega n gen. Zwar zeugten ihre Hiebe wie gewohnt von ausgesprochener Präzession, doch spürte er, dass sie schw ä cher wurden. Ihre Verbissenheit ersetzte zunehmend die Kräfte. Ihr Zustand hatte eine panische Welle aus seinem Magen über seinen Körper kriechen lassen. Sie war am Ende, doch wollte es nicht einsehen. Fr ü her oder später hätte das fatale Folgen gehabt, weil sie sich weigerte, aufzugeben. Stattdessen hatte ihr natürlicher Schutzmechanismus eingesetzt, sie taub gemacht. Zär t lichkeit übermannte ihn und er strich ihr eine feuchte Locke von der Stirn, hauchte einen Kuss auf ihre Wange. Ihre dichten Wi m pernkränze flatterten unter seiner Berü h rung.
Sich einzureden, er hätte ihren unmittelbaren Zusammenbruch lediglich beschleunigt, half nicht weiter. Nun gab es kein Zurück mehr. Zögernd zog er den Kragen ihrer Jacke zur Seite, bis ihr Hals ungeschützt vor ihm lag. Mühevoll ignorierte er die samtweiche Haut, ihren Duft. Ruckartig wandte er den Blick ab, versuchte, sich zu sammeln, den krampfenden Druck in seiner Brust zu ve r treiben. Mit aller Kraft konzentrierte er sich auf ihre pochende Halsschlagader, ließ die Gier wachsen. Unwillkürlich zog sich seine Oberli p pe zurück, als er den Mund weit öffnete. Mit einem lauten Brüllen verfluchte er die Götter und sich selbst. Dann warf er den Kopf zurück, bereit, zuzustoßen.
„Haltet ein!“
Da Rudgers Kopf bereits hinabschnellte und Leylas Hals gefährlich nahe kam, riss er seinen ganzen Körper zur Seite. Dabei rutschten seine Fangzähne ab, hinterließen zwei f a dendünne Schnitte in ihrer Haut. Die am Boden liegende Holztür knarzte unter Boris’ Schri t ten.
„Kommt zu Euch, von Hallen! Ihr wollt es nicht tun!“
„Natürlich will ich das nicht, aber es gibt keinen Ausweg.“ Sofort stand Rudger auf den Füßen. „Der Ragnarök steht bevor. Wie soll sie als Mensch im Kampf der Götter überl e ben? Wie soll das überhaupt jemand überstehen?“
„Das Schicksal der Götter wird
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