Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
ließen darauf schließen, dass es sich um ein Gestüt handelte. Der Woh n raum des Hauses war voller Leute, die sich im Klang der gedämpften Mozartsonate unterhielten. Es gab Platz für mehrere braune Leders o fas, die mit Knöpfen geheftet waren und wulstige Lehnen hatten. Zusammen mit dem hohen Kamin gaben sie dem Raum eine zeitlose Eleganz. Leyla fühlte das weiche Vlies von hochwertiger Auslegeware unter den dünnen Sohlen ihrer Schuhe. Es wurden Champagnercocktails getrunken und Kanapees g e reicht, die von Dienstmä d chen in klassischer schwarz-weißer Uniform auf silbernen Tabletts gereicht wurden. Auf den ersten Blick deutete alles auf eine normale Cocktailparty hin. Neben der üblichen Abendgarderobe trugen die meisten der Anwesenden einhei t liche Morgenmäntel aus Satin, die vom Haus gestellt worden waren. Das Ganze erinnerte an die noblere Variante der B a demäntel mit Schriftzug in namhaften Hotels. Unter der Schar von Dienstmädchen mischten sich Frauen in weißen Kitteln. Sie boten ihre Tabletts nicht an, sondern gingen mit verhaltenen Schri t ten durch den Raum. Leyla nahm das Glas Champagner entgegen, das Jarno von dem Tablett einer vorübergehenden Kellnerin geno m men hatte. Während sie daran nippte, schaute sie sich um.
Eine Frau auf dem Sofa hob ihre mit Altersflecken übersäte Hand, die von Ringen und echten Steinen glitzerte. Es folgte ein kurzer entschlossener Wink. Auf der Stelle wurde ihr ein Tablett dargeboten, auf dem sich kleine, metallene Spritzen aneinande r reihten. Die Frau traf ihre Wahl, indem sie mit einem Finger auf eine der Spritzen tip p te. Dann nickte sie und legte entspannt den Kopf an die Lehne. Mit zahlreichen Stichen wurde ihr das Botox in die Muskeln ihrer Stirn gespritzt. Winzige Blutpünktchen quo l len aus den Einstichstellen und wurden von der Frau im Kittel mit flinken Bewegungen abgetupft. Das Ergebnis würde erst in ein paar Tagen zu sehen sein, wenn das Botulinumtoxin die Erregungsübertragung von den Nerven zum Muskel gehemmt haben wü r de. Eine Kontraktion der Stirnmuskeln würde nicht mehr wie gewohnt möglich sein, sondern auf ein Minimum an Bewegungsmö g lichkeit gelähmt. Ein Stirnrunzeln entfiel und z u rück blieb eine vermeintlich geglättete Hautpartie. Vor ein paar Wochen schon hatte Leyla sich dieses Grundwissen angelesen, um für diesen Fall so gut wie möglich vorbereitet zu sein. Botox ist ein hochwir k samer Proteinkomplex und wurde seit Jahrzehnten als Medikament in der Behandlung gegen b e stimmte Bewegungsstörungen eingesetzt. Leyla hatte kein Verständnis für diese Zweckentfremdung des hochgiftigen Arzneimittels in der kosmet i schen Medizin. Die behandelte Frau schien sofort aufzublühen, ungeachtet der Tatsache, dass ihre Stirn vorerst noch faltig war und dass sie sich in ein paar Monaten einer erneuten Behandlung unterziehen musste. Nichts war für ewig. Nichts.
Wie beschwipst stand sie schwungvoll auf und tänzelte auf eine Tür am anderen Ende des Raumes zu. Sie öffnete die Tür und huschte in die Dunkelheit, die für einen Augenblick durch den Türspalt zu sehen war. Dann schwang die Tür zu. Leyla beobacht e te, dass sie dazu Kraft aufwenden musste, und schloss daraus, dass es sich um eine schallgedämmte Tür handeln musste. Sie hatte für den Bruchteil einer Sekunde den hämmernden Takt von Bässen gehört. Einer weit e ren Frau wurden mit dem Nervengift die Lippen entkräuselt. Der Bu r sche, der ihr tröstend die plumpe Hand tätschelte, war viel zu jung, um ihr Mann zu sein. Die Lippe der Frau quoll leicht auf und verzer r te sich zu einem verzückten Lachen. Ihr Bademantel hatte sich am Ausschnitt leicht geöffnet und ihre Brüste wabbelten wie Götterspeise. Der Jüngling presste seine Nase in ihr Dekolleté und entlockte der Dame noch we i tere mädchenhafte Piepser. Kurz darauf bewegte sich das Paar ebenfalls zu der Tür, die sich öffnete und hinter ihnen ins Schloss fiel. Dann doch lieber mit Anstand alt und runzelig werden, dachte Le y la.
Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf eine schlanke Frau, die vor dem Fenster stand und sich ein Bild von der Lage zu machen schien. Leyla ging langsam auf die Frau zu. „Ariane?“
„Leyla Barth? Boah, dich habe ich ja ewig nicht mehr gesehen“, antwortete Ariane übe r schwänglich. Sie hatte sich so ruckartig umgedreht, dass der Champagner in ihrem Glas schauke l te. Mit beiden Händen balancierte sie es aus, um die kostbare Flüssigkeit vor dem Überschwa p pen zu
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