Das rote U
weil dein Vater
Redakteur ist, verstehst du auch was von schriftlichen Sachen und so. Mein
Bruder geht mit dir, die anderen bleiben bei mir. Wir treffen uns nachher hier
in der Gegend herum. Ihr seht uns schon, oder wir sehen euch. Und wenn ihr dann
einen neuen Rat wisst, könnt ja meinetwegen ihr wieder
kommandieren...“
Es war ein weiter Weg zum
Hauptpostamt. Das lag am Bahnhof, und sie mussten ein großes Stück
durch die Stadt. Aber je näher die beiden Jungen ihrem Ziele kamen, desto
langsamer gingen sie. Keiner wollte es dem anderen sagen – aber sie
hatten beide eine Heidenangst. Und erst, als sie in das Postgebäude
gingen! Aber nun atmeten sie auf.
„Von
13-15 Uhr geschlossen“
stand da auf einem Plakat.
Sie hatten also noch eine halbe
Stunde Zeit. Erst in einer halben Stunde würden sie vor dem schrecklichen
Schalter stehen und fragen: „Haben Sie keinen Brief für das Rote
U?“ – Ja, und dann würde der Schaltermann sie von unten herauf
schrecklich ansehen und sicher sofort den Telefonhörer aufnehmen und
hineinrufen: „Herr Rademacher, kommen sie doch mal schnell mit dem
Überfallkommando an die Post!“ – Und dann?
Sie standen an einem Fenster
und schauten trübsinnig hinaus in das Schneetreiben. Noch nicht drei Uhr
war es, und schon sah es aus, als finge es zu dämmern an. Es kam ihnen
vor, als wäre Weihnachten in Nacht und Nebel versunken, als würde nun
nie, nie mehr das schöne Fest kommen.
Mala stieß einen kleinen
Schrei aus und fuhr totenblass herum. Es hatte ihm einer auf die Schulter
getippt...
„Herr Behrmann!“
rief er dann ganz erleichtert, „... ich dachte schon...“
„Na, was denn? Du machst
ja ein Gesicht wie ‘ne Katze, wenn’s donnert. Was ist denn los mit
euch? Und was treibt ihr hier an der Post?“
Mala sah Boddas an, und Boddas nickte...
„Hören Sie mal, Herr
Behrmann“, sagte Mala jetzt, „haben Sie
eine halbe Stunde Zeit für uns? Ich möchte Ihnen was erzählen.
Etwas sehr Wichtiges...“
„Dann schieß los,
Junge“, ermunterte ihn der ewige Student, „wir haben ja sowieso
gewisse kleine Heimlichkeiten zusammen...“
Mala nickte eifrig. „Ja, das
Schuljubiläum, das hat auch etwas damit zu tun. – Aber sagen
Sie’s auch nicht weiter?“
„Hab ich vielleicht
damals geschwätzt?“
Herr Behrmann lachte jetzt
nicht. Die Jungen kannten ihn kaum wieder. So ernst war er auf einmal. Ja, er
hatte gemerkt, ganz plötzlich, dass es etwas Furchtbares war, was die
Jungen bedrückte...
„Was wolltet ihr nun hier
an der Post?“ fragte er, „das müsst ihr mir zuerst mal sagen.
Aber, nicht wahr, ihr verkohlt mich nicht...“
„Sie werden es ja doch
nicht verstehen, wenn wir es sagen“, meinte Boddas .
„Wir wollten nach einem Brief fragen, den haben wir vorgestern an das
Rote U geschickt, und nun wollen wir wissen, ob das Rote U ihn auch abgeholt
hat!“
„Nun schlägt’s
aber dreizehn!“ rief Herr Behrmann, und er sah einem nach dem andern tief
in die ängstlichen Augen... – Nein, die logen nicht. „Ich will
euch was sagen“, meinte er dann, „wartet, ich werfe hier eben den
Brief in den Kasten. Dazu bin ich ja gerade hergekommen. Denn der Brief sollte
noch zeitig zur Bahn. Also, ihr geht jetzt mit mir. Hier um die Ecke ist eine
kleine Kaffeewirtschaft, da stört uns niemand. Ich stifte euch eine Tasse
Schokolade und ein paar Kaffeeteilchen, und dann könnt ihr mir
erzählen.“
Bald saßen sie dann in
dem kleinen Stübchen, niemand außer ihnen war da, und die Wirtin
saß hinten in einer Ecke und strickte.
„Also nun los, Mala , ich kann dich ja jetzt auch so nennen... Ich
gehöre ja nun zu euch... Mala , wie ist das mit
dem Roten U? Wer ist das Rote U?“
„Ja, wenn wir das
wüssten! Wir haben keine Ahnung... Seit Sonntag haben wir ja nichts mehr
von ihm gehört, und Sonntag haben wir ihm geschrieben... Jetzt wollten wir
sehen, ob es den Brief abgeholt hat... Wir haben ja solche Sorge um den kleinen
Bernhard...“
„Har der mit dem Roten U
zu tun?“
„Aber, Herr Behrmann! Der
und das Rote U!“
Und nun erzählte Mala , von Anfang bis zu Ende. Ab und zu fragte Herr
Behrmann etwas dazwischen, und immer mehr erstaunte er. Manchmal lachte er hell
auf, und als Mala erst von dem Schuster Derendorf erzählte, wieherte er beinahe, und die
Tränen liefen ihm die Backen hinunter. Dann kam das mit dem schulfreien
Tag, und weil diese Geschichte Herr Behrmann schon beinahe kannte, hatte er
endlich Zeit, einmal von dem
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